Sechs Tote und ein toter Hund Blutiger „Tatort“ um sanfte Medizin

Von Matthias Röder
Kommissar Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und seine Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) in einer Szene des "Tatort: Krank". Foto: Anjeza Cikopano/ARD/Degeto/ORF/Lotus Film/dpa Quelle: Unbekannt

WIEN. Glaubenskriege sind blutig. Im neuen „Tatort“ aus Österreich geht es um den erbitterten Streit zwischen Schul- und Alternativmedizin. Eine Triebfeder ist aber auch schlicht: Rache.

 
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Das Mittel gegen Bluthochdruck besteht aus zerquetschter Schwarzer Spinne. Jan Fabian, der Gründer einer auf sanfte Medizin spezialisierten Firma, glaubt daran. Aber er hat sich zur Herzüberwachung auch einen hochmodernen Loop-Recorder implantieren lassen. Mit dieser Kombination aus Alternativ- und High-End-Medizin verkörpert die Figur Fabian (Peter Raffalt) das Thema im neuen „Tatort“ aus Österreich: „Krank“, so der Titel (Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr), dreht sich um den Glaubenskrieg, ob Tabletten oder Tinkturen helfen. Am Ende sind sechs Menschen und ein Hund tot.

Majorin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) sorgt mit Hilfe von Scharfschützen dafür, dass Oberstleutnant Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) nicht auch auf die Todesliste kommt.

Ein TV-Interview gehört zu den Schlüsselszenen im vielspurigen Drehbuch von Rupert Henning, der auch Regie geführt hat. „Es geht um gigantische Beträge. Warum sollen wir sauberer als die anderen sein? Sanfte Medizin ist ein hartes Geschäft“, räumt der selbsternannte Kronzeuge Christoph Thiel (Till Firit) gegenüber dem Interviewer ein. Er selbst sei jahrelang ein Jünger von Fabian gewesen. „Bis ich erkannt habe, dass er nicht der Messias ist, sondern ein Scharlatan.“

Was wie eine Anklage und ein Bekenntnis klingt, verfolgt einen ganz anderen Zweck - zum Leidwesen des TV-Journalisten Axel Schwab (Florian Carove). Vor Aufregung völlig durchgeschwitzt, klärt er seine Vorgesetzten auf, dass der Sender nur Spielball einer Intrige war.

„Krank“ ist ganz altmodisch spannend und brisant zugleich. Die fünfjährige Rosa stirbt an einer Allerwelts-Infektion, weil ihr Vater, ein Humanenergetiker und Energiefeld-Spezialist, sie lieber selbst behandelt und einen Arztbesuch ablehnt. Er wird vom Gericht freigesprochen. Die Freude darüber währt nur kurz. Vor dem Justizgebäude erfasst ihn ein Auto mit voller Wucht und Absicht.

Die Mutter der Tochter, je nach Sichtweise eine kolumbianische Freiheitskämpferin oder Terroristin, ist fortan auf Rache-Feldzug in Wien. Die in der Schweiz geborene Sabine Timoteo spielt Rosas Mutter in ihrer mörderischen Verzweiflung beklemmend und höchst überzeugend.

Das Ermittler-Duo Eisner und Fellner hält sich in bewährter Weise mit teaminternen Artigkeiten und externen Höflichkeiten zurück. Bevorzugtes Ziel ihres Spotts ist der Mann vom Verfassungsschutz, der weder Ausblick noch Durchblick habe, meint zumindest Eisner. Der TV-Kommissar ist in der Folge selbst arg lädiert. Von Anfang an quält ihn ein Hexenschuss. Grantelnd lässt er sich konsequenterweise weder von Schul- noch von Alternativmedizin helfen.

Im Privatleben, so die beiden Hauptdarsteller gegenüber der ARD, halten Krassnitzer und Neuhauser es mit einem „Sowohl-Als-Auch“. „Ich nehme alternative Methoden in Anspruch, weil ich gute Erfahrungen gemacht habe mit TCM, der Traditionellen Chinesischen Medizin“, sagt Krassnitzer. Aber er koppele das mit einer Rückfrage bei einem klassischen Mediziner.

Neuhauser meint, die Sehnsucht vieler Menschen, Krankheiten sanft und naturnah zu heilen, werde schamlos und zynisch auf einem gnadenlosen Markt ausgeschlachtet. „Ich vertraue auf beide Methoden, je nach Beschwerde setze ich entweder das eine oder das andere ein.“ Es geht auch ohne Glaubenskrieg.

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