"Ich werde nie mehr zurückkehren"
Gut belegt ist dagegen, was Hanna Dallos und ihren Gefährtinnen in Ravensbrück widerfuhr. Wir wissen davon, weil eine Frau namens Eva Langley-Dános überlebte. Und weil sie von ihrem Leiden, aber auch ihren Begegnungen mit Hanna Dallos erzählen wollte. In ihrem Buch „Zug ins Verderben“ berichtet sie von den erbärmlichen Umständen im Lager, von der schlechten Ernährung, den Misshandlungen, den Krankheiten. Und von Musterungen, in denen die SS noch halbwegs kräftige Häftlinge zur Sklavenarbeit auswählte. Und noch der Zustand dieser Auserwählten war schlimm genug. „Selten konnte man so viele kranke, ausgezehrte, zu Skeletten abgemagerte, betäubte und beschmutzte Frauen sehen wie in jenem Ravensbrück-Kontingent, das zur Fabrikarbeit bestimmt worden war“, schreibt Langley
Hanna Dallos wurde für die Arbeit ausgewählt. Und zerbrach noch vor dem Transport an den Schikanen. Ihr langes blondes Haar war bei der Einlieferung nach Ravensbrück nicht geschoren worden. Es war, als seien selbst die SS-Wärterinnen von der Schönheit der goldenen Strähnen beeindruckt gewesen. Doch nun, kurz vor dem Abtransport, gab es keine Ausnahmen mehr: „Klippklapp geht die Schere, und diesmal gibt es keine Gnade, die ungarischen Kornfelder werden unter SS-Stiefeln zertreten. Klippklapp geht die Schere, Gott allein weiß, was sie Hanna ins Ohr flüstert.“ Hanna Dallos lehnte noch lange nach dem Duschen nackt an der Wand, „ihr ausgemergelter Körper geschüttelt vor Schluchzen“. „Sie haben mir meine Haare abgeschnitten. Ich werde nie mehr nach Hause zurückkehren“, sagte sie nach den Erinnerungen von Eva Langley mit monotoner Stimme.
Jeweils 75 Frauen wurden in einen Viehwaggon gepfercht. Für eine Höllenfahrt. „Zwischen zusammengedrückten Knien halten wir unsere Brotrationen. Die Bodenplanken sind furchtbar kalt, die Frostbeulen an unseren Füßen schmerzen uns höllisch – aber noch mehr als die körperliche Pein ist nun die schwerste Prüfung dieses grässliche Geschrei und die wüste Grobheit unserer Mitgefangenen, das Spektakel unaufhörlicher Stöße, das entmutigende Wissen um unsere schiere Ohnmacht“, berichtet Eva Langley. Noch schlimmer muss der Schmutz gewesen sein. Nur ein Eimer stand den 75 von Krankheiten geschwächten Frauen um Waggon zur Verfügung, nur alle paar Tage konnte er geleert werden. Die Häftlinge lagen buchstäblich in der Jauche.
Ziel des Transportes war ein Außenlager des KZ Dachau in Burgau, nahe der Stadt Günzburg. Dort wollte Messerschmitt Düsenjäger fertigen. Dabei war der Krieg schon lange verloren. Schon machten Tiefflieger der Alliierten weit vor der Front Jagd auf Ziele. Auch der Zug mit den Häftlingen aus Ravensbrück geriet unter Beschuss. Und konnte für Tage nicht weiterfahren. Aussteigen aber durften die Frauen auch nicht – in Schmutz und eisiger Kälte vegetierten sie vor sich hin.
Hanna Dallos starb irgendwann in dieser Zeit, es kann der 27. Februar gewesen sein oder auch der Morgen des 1. März. Und weitere fünf Frauen starben neben ihr. Ihre Leichen wurden in Papiersäcke gehüllt und auf dem Stadtfriedhof beerdigt – anonym.
Eva Langley aber überlebte, die Fahrt und auch die Schinderei in Burgau. Und konnte so ihren Teil dazu beitragen, dass wir heute, 70 Jahre danach, zu den nackten Namen und Zahlen Schicksale kennen.
INFO: Die Gedenktafel geht auf einen Vorschlag einer Arbeitsgruppe zurück, der Felix Gothart, der Vorsitzende der israelitischen Kulturgemeinde, der Historiker Norbert Aas, Sylvia Habermann, die Chefin des Historischen Museums, und Sozialreferent Carsten Hillgruber angehören. Über die Höllenfahrt des KZ-Transports berichtet Eva Langley-Dános in ihren Erinnerungen „Zug ins Verderben. Von Ravensbrück nach Burgau“, Daimon-Verlag, 17 Euro. Im Daimon-Verlag ist auch das Buch „Die Antwort der Engel“ erhältlich.