Scientists for Future Eine Energierevolution muss her

Volker Quaschning (links) setzt sich seit über 30 Jahren für Umwelt- und Klimaschutz ein. Noch immer gebe es viel „Naivität und Unkenntnis physikalischer Prozesse“ bei den politischen Entscheidern, sagte Quaschning. Stefan Holzheu Foto: Ute Eschenbacher

Eine Energiewende reicht nicht mehr. Und ein bisschen Klimaschutz schon gar nicht. Die Scientists for Future Bayreuth haben dies im Audimax der Universität Bayreuth zusammen mit dem prominenten Gast Volker Quaschning unterstrichen.

 
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Wenn die Menschheit weiter handelt wie bisher, könnten die Temperaturen Ende des Jahrhunderts um 3,5 bis 4 Grad angestiegen sein. Eine Dimension, die unfassbare Folgen für die nächste Generation hätte.

Diese und andere beunruhigende Fakten zur Klimakrise stellte Volker Quaschning in seinem Vortrag auf Einladung der Scientists for Future Bayreuth im Audimax der Universität vor. Der Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin ist vor allem über Bücher zur Energiewende, seinen Twitter-Kanal und den „Gute-Frage“-Youtube-Podcast überregional bekannt geworden.

Rechenfehler verhindert Windkraftausbau

Über Twitter lernte er auch Stefan Holzheu kennen, der am Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung arbeitet. Holzheu hatte die Argumentation von Windkraftgegnern entlarvt, der Infraschall sei gesundheitsschädlich. Der Wissenschaftler entdeckte einen „trivialen Rechenfehler“ in einer viel zitierten Studie der Bundesgesellschaft für Energie und Rohstoffe (BGR). Die wollte den Fehler zunächst nicht zugeben. Doch dank Holzheus Hartnäckigkeit sah sich am Ende sogar der damals zuständige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zu einer Entschuldigung genötigt.

Holzheu gründete nun mit anderen Kollegen der Universität Bayreuth eine Regionalgruppe der Scientists for Future. Künftig will sich diese verstärkt in die klimapolitische Diskussion in der Stadt Bayreuth einbringen. „Der Klimawandel ist keine Zukunftsmusik“, sagte Holzheu. Dürren, Waldbrände oder Hochwasser seien bereits Realität in Europa. Die Niederschläge im Mai seien zu niedrig gewesen, was die Pflanzen unter Stress setze. Und die Hitzeperioden nehmen zu: „Allzeit Temperaturrekord von 39,2°C in Cottbus - und das im Juni!“

Abhängigkeit von Öl und Gas beenden

Mit einer Fülle an Zahlen untermauerte Quaschning, warum es einer „Energierevolution jetzt“ bedarf, die er in seinem jüngsten Buch forderte. Dass Deutschland jedes Jahr einen zweistelligen Milliardenbetrag für Erdöl und Erdgas an Russland bezahle, sei schon vor dem Ukraine-Krieg bekannt gewesen. Die Ursachen für den Klimawandel gingen eindeutig vom Menschen und dessen hohem Kohlendioxidverbrauch aus, so Quaschning. Das Polareis sei auf ein Rekordminimum zusammengeschmolzen. Wenn Grönland eines Tages eisfrei sei, würde der Meeresspiegel um sieben Meter steigen. Eine ungebremste Erderwärmung hätte bis zum Jahr 2100 einen extremen Temperaturanstieg zur Folge.

Technologie und Finanzen nicht das Problem

Küstenstädte würden verschwinden, die Nahrungsmittelversorgung zusammenbrechen und der Lebensraum auf der Südhalbkugel der Erde schrumpfen. Das Klimaziel der Bundesregierung, bis 2044 klimaneutral zu sein, sei nicht haltbar. Wenn der Pro-Kopf-Verbrauch an CO2 gleich bleibe, müsste dies zwischen 2030 und 2035 erreicht sein. Eine Umfrage unter den Zuhörern im nahezu voll besetzten größten Hörsaal der Uni zeigte: Nur etwa zehn Prozent der Anwesenden hielten dieses Ziel für erreichbar. „Beim Smartphone gelang in 20 Jahren die Entwicklung einer neuen Technologie“, sagte Quaschning. Wenn der Wille da sei, ließen sich teuere Technologien in kurzer Zeit entwickeln.

Atomenergie keine Zukunftslösung

Um eine Energierevolution zu bewirken, müsse der Energiebedarf drastische gesenkt werden. Die aktuelle Diskussion um die Kernenergie sei überflüssig: Es fehlten Brennelemente und ihr Anteil am Energiemix sei viel zu gering. Besser wäre ein Verbot von Öl und Gas, wie es Dänemark im Jahr 2013 beschloss. Eine Verkehrswende – von 83 Millionen Deutschen hätten 48 Millionen ein Auto – und der Abschied von Benzin und Diesel seien genauso nötig wie der Ausbau der Windkraft an Land, Freiflächenphotovoltaikanlagen und eine Reduzierung des Fleischkonsums. „Unser Lebensstil ist nicht auf den Rest des Planeten zu übertragen.“ Sich beim Energieverbrauch einzuschränken, sei letztlich eine Frage der globalen Gerechtigkeit.

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