Schwierige Planungen „Man muss flexibel sein“

Dem Hygienekonzept geschuldet: Der umgebaute Chorsaal auf dem Grünen Hügel. In diesem Jahr zum letzten Mal auf dem Spielplan der Festspiele: Foto: Bayreuther Festspiele

Die Künstler freuen sich, Bayreuths Gastronomen bereiten sich vor, das Netz tobt – so geht man in Bayreuth der wohl ungewöhnlichsten Festspielzeit entgegen.

 
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Nach wie vor steckt das Wort „sollen“ drin. „Die Bayreuther Festspiele 2021 sollen unter Beachtung der notwendigen Hygienekonzepte sowie gesetzlicher und behördlicher Regelungen stattfinden.“ So heißt es in der Pressemitteilung der Festspiele, die nach der Sitzung des Verwaltungsrats am Freitag verschickt wurde. Das ist nicht mehr und nicht weniger als das, was bereits zuvor bekannt war. Planungssicherheit besteht nach wie vor nicht. Allenfalls ein Zeichen der Hoffnung. Auch für Bayreuths Gastronomen und Hoteliers.

„Schön, dass sie stattfinden“, sagt Martina Groh-Walter, Inhaberin vom Hotelrestaurant Lohmühle. Jedoch: In Euphorie verfällt die Hotelchefin nicht. Denn logistisch sieht sie sich mit großen Herausforderungen konfrontiert. Und vielen Unwägbarkeiten. Martina Groh-Walter macht eine einfache Rechnung auf: Geht sie von einer durchschnittlichen Belegung wie in einem normalen Sommer, als von 80 Prozent, aus, entspräche das bei in diesem Jahr zu erwartenden 235 Besuchern pro Aufführung einer Belegung von rund acht Prozent. Soll man dafür das gesamte Personal in der Küche und im Restaurant vorhalten? Insofern setzt Martina Groh Walter auf ein schnelles Durchimpfen der Bevölkerung und darauf, dass im Sommer vielleicht wenigsten 450 Besucher pro Aufführung zugelassen werden.

Erste Hotelbuchungen

Erste Buchungen fürs Hotel lägen bereits vor. Die Gäste würden allerdings noch auf ihre Kartenzusage warten. Auch im vergangenen Jahr seien einige Stammgäste nach Bayreuth gekommen, obwohl die Festspiele komplett abgesagt wurden. Eventuell wird sie mit unterschiedlichen Speisekarten arbeiten – für Festspielgäste und für Radler. Wie das genau aussehen wird, steht noch nicht fest. Nur so viel: „Man muss in der heutigen Zeit flexibel sein.“

Das gilt auch für Stefan Hofmann und Andrea Werner, die Inhaber des Gasthauses Wolffenzacher am Sternplatz. „Es wäre schön, wenn die Festspiele stattfinden“, sagt Stefan Hofmann. Doch wisse derzeit niemand, ob das in trockenen Tüchern ist. Üblicherweise empfängt man im Wolffenzacher bis nach Ende der Aufführungen Festspielgäste. Doch die unklare Zahl an Besuchern macht die Situation auch hier nicht leichter. Was, wenn anstelle von 40 oder 60 Restaurantbesuchern am späten Abend nur drei oder vier den Weg zum Sternplatz finden? „Es ist ganz schwierig einzuschätzen, was nach den Aufführungen passiert“, sagt Hofmann. Insofern hilft die Willensbekundung vom Freitag, dass die Festspiele stattfinden sollen, nicht wirklich weiter. „Wir haben keine Öffnungsperspektive, es ist alles vage“, sagt Stefan Hofmann. Gleichwohl werde man auf jeden Fall da sein. Einen Vorteil sieht der Gastronom darin, dass er stets frisch kocht und sich von seinen Lieferanten täglich auch mit kleineren Mengen versorgen lassen kann.

„Selbstverständlich freuen wir uns mit unseren Gästen, dass wieder ein Hoffnungsschimmer am internationalen Kulturhimmel aufgegangen ist“, sagt Eva Graf, Inhaberin des Hotels Goldener Anker. Die mit der Bekanntgabe allseits eingetretene Erleichterung, auch in Hinblick auf zu generierenden und dringend nötigen Umsatz, stehe im Wettstreit mit Skepsis: ein Virus halte sich ja auch nicht so genau an Öffnungs- und Schließungszeiten und auch nicht an Premierentage. Gleichwohl erhofft sich Eva Graf dies: „Die Resonanz allgemein wird meines Erachtens enorm sein, weil die Menschen kulturell ausgehungert sind.“ Die Vorbereitung auf die Festspielzeit sei professionelle Routine, allen Corona-Neuregelungen zum Trotz.

Es ging hin und her

Wie berichtet, war die Entscheidung vom Freitag nicht unumstritten. Der Verwaltungsratsvorsitzende Georg von Waldenfels sagte: „Das wurde schon unterschiedlich gesehen. Das ist ja immer mal wieder hin und her gegangen.“ Er hofft nun, die derzeit in Konzepten zugrunde gelegte Besucherzahl von nur 235 statt normalerweise rund 2000 im Festspielhaus auf dem Grünen Hügel noch anheben zu können: „Wir wollen soviel wie möglich aufstocken.“ Zuletzt war davon die Rede, dass im besten aller Fälle 1000 Zuschauer zugelassen werden könnten. Selbst dann bliebe also noch jeder zweite Platz leer.

In den digitalen Medien sorgte die Entscheidung des Verwaltungsrats für heiße Diskussionen. Viele User positionierten sich in scharfer Wortwahl gegen die Festspiele. Einer der Kommentatoren schrieb: „Ein Signal der Dekadenz!“ Ein anderer sah die Sache etwas differenzierter: „Liebe Leute, freut euch doch, dass es ein Signal der Hoffnung für die Kultur ist und wahrscheinlich, was wir alle hoffen, bis dahin noch viel mehr offen hat. Ich freue mich für alle die dort arbeiten, dass sie wieder arbeiten dürfen.“

Keine Festspiele auf Biegen und Brechen

Einer der sich auf die Festspiele freut, ist auch Rainer Fineske, Präsident des Richard-Wagner-Verbands International. Auf der einen Seite sieht der Oberste der Wagnerianer den Festspielen in diesem Sommer mit positiven Gefühlen entgegen, andererseits hätte er auch Verständnis dafür, wenn die Festspiele aus Kostengründen hätten abgesagt werden müssen. Festspiele „auf Biegen und Brechen“ möchte er nicht haben. Dass man es in diesem Sommer versuchen will, spreche für die Festspiele. Es wäre einfacher gewesen, zu sagen: Wir spielen lieber nicht. Aus Fineskes Sicht wäre das für die gesamte Kulturszene nicht gut gewesen.

Ungeklärte Fragen gebe es aber noch bei der Belüftung des Festspielhauses. Muss man stundenweise eine Pause machen? Muss man lange Opernakte unterbrechen?

Die Frage nach der Belüftung ist auch für die Sänger eine grundlegende. Schließlich sind sie es, die bei der Ausübung ihres Berufs besonders tief einatmen müssen.

Einer, der in diesem Jahr in einer Hauptrolle wohl wieder dabei sein wird, ist Johannes Martin Kränzle, der in den „Meistersingern“ den Beckmesser spielt. Er setzt große Hoffnungen darauf, dass die Festspiele in diesem Sommer stattfinden können. Auch für die Spitzensänger sind im vergangenen Jahr sehr viele Engagements und somit Einnahmen weggebrochen. Musiker und Künstler sind besonders hart von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen. „Man kann nur auf den Sommer hoffen“, sagt Bayreuths Beckmesser. Zumal die gefeierte Produktion der „Meistersinger von Nürnberg“ mit der Regie von Barrie Kosky in diesem Jahr wohl zum letzten Mal auf dem Spielplan steht. Insofern sei doppelt die Sehnsucht da, dass noch einmal alle zusammenkommen können, um das Stück abzuschließen.

Info:

Als „helle Leuchtstreifen am Horizont“ hat Kunstminister Bernd Sibler am Montag die beiden Botschaften bezeichnet, die aus Bayreuth und Passau gesendet wurden. Er sprach von einem „Wochenende der positiven Signale für Musikliebhaber“. In Bayreuth hatte sich der Verwaltungsrat der Festspiele entschieden, dass die Festspiele unter Beachtung der notwendigen Hygienekonzepte sowie gesetzlicher und behördlicher Regelungen stattfinden sollen. In Passau stellte der Liveclub Zauberberg Passau eine Open Air-Veranstaltungsreihe quer durch Niederbayern vor, die mithilfe einer mobilen Bühne durchgeführt werden kann. Auch hier machen sich die Veranstalter Gedanken über ein Hygiene- und Schutzkonzept. Sibler betonte: „Solche Initiativen begeistern, machen Mut und wecken Vorfreude. Ich danke allen herzlich, die sich von der schwierigen und unsicheren Planungslage nicht davon abhalten lassen, mit kreativen und zugleich verantwortungsvollen Ideen und Konzepten Musik unter die Menschen zu bringen.“roko

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