Schönfeld: Schluss mit kostenlosem Wasser

Von Andrea Pauly

Man stelle sich vor, man hätte neben der offiziellen Wasserleitung noch eine zweite. 30 Jahre lang fließt dort das Wasser - kostenlos. Da wäre man ja doof, wenn man das nicht nutzen würde, zum Blumengießen zum Beispiel. In Schönfeld ist genau das passiert. Doch jetzt ist die Sache aufgeflogen, mit dem kostenlosen Wasser ist Schluss. Doch das gefällt einigen Bürgern nicht.

 
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In Schönfeld laufen aktuell Kanalbauarbeiten. Dabei haben die Bauarbeiter eine überraschende Entdeckung gemacht - mit Folgen für die Bürger. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Zwei Welten prallen in der Bürgerversammlung am Mittwochabend in Schönfeld aufeinander: Auf der einen Seite stehen die Stadt Hollfeld und die Juragruppe als Wasserversorger. Auf der anderen Seite stehen die Bürger aus Schönfeld und Pilgerndorf. Für viele von ihnen ist nicht nachvollziehbar, dass sie nach 30 Jahren künftig nur noch Wasser von der Juragruppe beziehen sollen - und dafür bezahlen müssen.

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Illegale Leitungen werden gekappt

Doch damit ist jetzt Schluss: "Heute Abend machen wir einen Schnitt", sagt Hans Hümmer, Geschäfts- und Werkleiter des Wasserzweckverbands Juragruppe. Alle illegalen Leitungen, die die Kanalarbeiter entdecken, werden gekappt. Denn die Schönfelder und Pilgerndorfer, die Wasser aus den alten Leitungen nutzen, verstoßen gegen geltendes Recht. Es bestehen Anschluss- und Benutzungszwang. Die Regelung gilt seit der Nachkriegszeit und verbietet es, Wasser aus anderen Brunnen zu verwenden.

Weitere Gemeinden sind betroffen

Dem Wasserverband war in all den Jahren nicht aufgefallen, dass in den Dörfern der Wasserverbrauch niedriger war. "Bei 1.3 Millionen Kubikmetern in der ganzen Juragruppe fällt es nicht auf, wenn 2000 Kubikmetern fehlen", sagt Hümmer. Die beiden Dörfer sind nicht die einzigen: In zwei weiteren Gemeinden außerhalb Hollfelds habe die Juragruppe ebenfalls private Leitungen ausfindig gemacht. "Da werden wir die gleichen Gespräche führen", sagt Hümmer.

Von jetzt an nach Vorschrift

Wer Wasser nutzt, das nicht aus einer überwachten Leitung kommt, kann mit einer Geldbuße bestraft werden. Laut Hümmer könne es sich sogar um Verkürzung von Abgaben und damit Steuerhinterziehung handeln. Denn wer das Quellwasser im Haus verwendet und leitet es anschließend in die  Kanalisation ein, ohne für die Entsorgung zu bezahlen. Dennoch wolle die Juragruppe nicht über Bußgeld sprechen, sagt Hans Hümmer. "Machen wir einen Punkt. Was war, das war. Von jetzt an machen wir es nach Vorschrift." Dazu nickt Hollfelds Bürgermeisterin Karin Barwisch.

Auf Kosten der anderen

Hümmer betont, dass es nicht in erster Linie ums Geld gehe, sondern um die Solidarität. Denn die Kosten für die Wasserversorgung verteilen sich über den Wasserpreis auf alle, die von der Juragruppe Trinkwasser bekommen. Das sind rund 6800 Haushalte.  "Wenn sich hier 100 aus der Solidargemeinschaft herausgezogen haben, werden die anderen 6700 dafür kein Verständnis haben", sagt Hümmer.

Abwasserbeseitigung für lau

Doch es geht sehr wohl ums Geld, sagt Bürgermeisterin Barwisch. Denn der Verbrauch von Trinkwasser ist die Grundlage, auf der die Stadt die Abwasserkosten berechnet. Jeder Liter, der ohne Wasseruhr vorbei fließt und im Haus verwendet wird - für die Klospülung, zum Duschen, Putzen oder Kochen - ist in den vergangenen drei Jahrzehnten nicht beim Abwasser berechnet worden. Gerade in Zeiten, in denen die Stadt Hollfeld vier Millionen Euro in das neue Kanalnetz investiere, werde sie das nicht weiter dulden. "Ich will gleiches Recht, aber auch gleiche Pflichten für alle."

Garten oder nicht (nur) Garten?

Die Bürger verhehlen ihren Frust nicht. "Wir wollen das Wasser doch nur zum Gartengießen", argumentieren mehrere Besucher, "da fließt doch nichts in den Abwasserkanal." Doch das lässt Barwisch nicht gelten: "Es ist nachweislich so, dass das Wasser auch im Haushalt verbraucht wurde." Eine Dame ist verärgert: Auch die, die mit dem Quellwasser wirklich nur gegossen hätten, "müssen jetzt büßen". Sie fragt die Bürgermeisterin: "Warum fällt euch das erst jetzt ein?" Barwisch ringt kurz um Fassung: "Das gilt seit 30 Jahren."

"Dreckbrühe"

Und dann stellt sich heraus: So mancher Schönfelder und Pilgerndorfer nutzt das Wasser doch im Haushalt. Einer beschwert sich, dass das Wasser aus der Leitung der Juragruppe nicht für Zierfische geeignet ist, der nächste moniert den Kalk, der sich in Töpfen und Kaffeemaschinen absetze.

"In meinen Augen haben Sie eine Dreckbrühe", poltert ein Senior in Hümmers Richtung -  und erntet dafür Zustimmung aus dem Plenum. "Auf dieses Niveau lasse ich mich nicht herab", entgegnet Hümmer aufgebracht und betont, dass das Wasser der Juragruppe 60-mal im Jahr untersucht werde und auch ohne chemische Aufbereitung von höchster Qualität sei. Der Kalkgehalt liege an den Gesteinsvorkommen im Quellgebiet.

Tote Maus im Quellwasser

Das Wasser aus der inoffiziellen Leitung ist seit drei Jahrzehnten nicht untersucht worden. Ein Besucher berichtet davon, dass er die Quelle aus der Nähe gesehen habe und eine tote, aufgequollene Maus im Wasser geschwommen sei.

Ein Zuhörer schlägt einen Handel vor: zehn Kubikmeter Wasser pro Jahr kostenfrei. "Wir können für euch keine Ausnahme machen", lehnt Barwisch ab.

Ab sofort ein vorsätzliches Vergehen

Hümmer sagt, dass die Kanalarbeiter möglicherweise nicht alle Anschlüsse an die alte Leitung entdecken. Doch Karin Barwisch sagt deutlich, dass kein Freibrief sei, das Quellwasser weiter zu nutzen. Denn dann würden die Bürger der Gemeinde wissentlich und vorsätzlich Gebühren vorenthalten.

Zisternen für den Garten

Als Alternative für Gießwasser dürften die Bürger eine Zisterne nutzen, um Regenwasser vom Dach zu sammeln.  "Das muss aber bei der Gemeindeangezeigt werden", sagt Barwisch. "Darüber hätte die Stadt uns aufklären müssen, das habt ihr nicht getan", ruft ein erboster Zuhörer. Doch das lässt Barwisch nicht stehen: Bei der Einführung der gesplitteten Abwassergebühr habe es ausführliche Informationen und Angebote zur Beratung gegeben. Eine Zuschauerin beklagt sich: "Es ist schwer begreiflich, dass wir Geld für eine Zisterne investieren sollen, wenn die Leitungen und das Wasser doch da sind."

Allerdings sind Zisternen nur für Regenwasser genehmigungsfrei. Wer aus einem privaten Brunnen Wasser nutzen will, muss sich bei der Juragruppe vom Benutzungszwang befreien lassen. Und auch, wer sein Zisternenwasser im Haus, etwa für die Toilettenspülung nutzen will, muss das genehmigen lassen.

Die Juragruppe

Die Juragruppe hat die Aufgabe, die Trinkwasserversorgung in Pegnitz, Hollfeld, Pottenstein,  Waischenfeld und Plankenfels zu sichern. Das Wasser fließt aus drei Brunnen in Bronn, Scherleithen und Moggendorf. Etwa 23 500 Menschen beziehen ihr Wasser über 6800 Hausanschlüsse aus den Leitungen der Juragruppe. Das Leitungsnetz ist 186 Kilometer lang. Der Verbrauch im Versorgungsgebiet beläuft sich auf etwa 1,2 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Weitere 75.000 Kubikmeter verkauft die Juragruppe im Rahmen von Wasserlieferungsverträgen. Nach Angaben der Juragruppe könnte jeder Brunnen für sich das gesamte Versorgungsgebiet versorgen.