Schicksalsschlag Wie sie mit dem Tod ihrer Tochter umgeht

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Karin Pflaum in ihrem Laden an der Hauptstraße. Sie hat den Tod ihrer Tochter Susanne überwunden, sagt sie. Foto: Ralf Münch Foto: red

PEGNITZ. „Starke Frau?“, fragt Karin Pflaum und lacht, „das ist doch doppelt-gemoppelt. Frauen sind doch prinzipiell stark.“ Für die 61-jährige Pegnitzer Geschäftsfrau ist das selbstverständlich. Und jede hat ihre Stärke woanders, auch sie selber.

 
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Mit 14 Jahren kam die gebürtige Erlangerin nach Pegnitz, wuchs mit ihrer Schwester bei ihrem Onkel und den zwei Cousins auf. Über die evangelische Jugend lernte sie schon bald ihren Mann Heinrich kennen, 1979 heirateten die beiden. In Nürnberg war sie auf der Fachakademie für Hauswirtschaft, bei KSB in der Werkküche und bei einer Schneiderei in Pegnitz machte sie jeweils ein halbes Jahr Praktikum. „Da habe ich auch mein Brautkleid genäht“, erzählt sie. Schließlich absolvierte sie den Abschluss als Hauswirtschafterin im städtischen Bereich. Weil sie aber da schon wusste, dass sie einen Bäcker- und Konditormeister heiraten würde, überlegte sie, wie sie sich ins Geschäft einbringen könnte. Und so machte sie noch eine zweijährige Lehre als Bäckereifachverkäuferin – schon im eigenen Geschäft – die sie dann als Prüfungsbeste abschloss. Im Geschäft in der Hauptstraße arbeitete sie Vollzeit, zog ihre inzwischen drei Töchter auf – mit Hilfe der Schwiegereltern.

Bei ihrer Tochter wurde Krebs im Kopf festgestellt

Vor 13 Jahren schlug dann das Leben hart zu. Karin Pflaum schluckt, als sie davon erzählt. Die jüngste Tochter Susanne, damals 21, studierte in Münchberg Textildesign. Währenddessen war sie auch eine Zeit lang in London. „Eines Tages bekam ich aus einem Krankenhaus einen Anruf, Susanne sei eingeliefert worden mit starken Kopfschmerzen“, erinnert sie sich. Sie ist sofort hingeflogen. „Die englischen Krankenhäuser sind anders als die deutschen“, sagt sie diplomatisch. Die einzelnen Betten sind mit Vorhängen voneinander getrennt. Mitnehmen konnte sie die Tochter nicht, sie war nicht transportfähig. Woher die Kopfschmerzen kamen, wusste man nicht.

Vier Wochen später kam Susanne dann nach Hause, ein paar Tage später rief sie an, hatte wieder so Kopfschmerzen. „Wir haben sie nach Erlangen in die Kopfklinik gebracht“, sagt Karin Pflaum. Dort wurde die Tochter ins künstliche Koma versetzt, Hirnwasser entnommen. „Wir mussten sie dann entmündigen lassen, denn es sollte eine Biopsie gemacht werden und sie war ja nicht bei Bewusstsein.“ Einen Tumor hat man nicht gesehen. „Das war strange“, so Pflaum. Es wurde Krebs im Kopf festgestellt, eine sehr aggressive und seltene Form. „Ich stand neben ihrem Bett und der Arzt sagte mir, da könne man nichts machen, es sei aussichtslos“, schluckt Karin Pflaum.

Karin Pflaum hat Stärke bewiesen

Getragen hat sie damals Dekan Gerhard Schoenauer, er hat sie täglich begleitet. Für die ganze Familie war es ein Schock. „Wir haben damals viel Hilfe von außen bekommen, von unseren Freunden“, sagt sie. Drei Tage nach der Diagnose ist Susanne gestorben. „Das Leben hat so entschieden“, so Karin Pflaum weiter. Die Familie habe die schlimmen Ereignisse zusammengeschweißt.

Karin Pflaum hat Stärke bewiesen. „Irgendwann kam wieder der Alltag, das war anstrengend, aber es musste ja weitergehen“, sagt sie. Das Geschäftwar wie ein Korsett für sie. „Und ich hatte ja Verantwortung für die Angestellten.“
Zeit zum Trauern hatte sie so richtig nicht. „Ich wollte auch keine Unterstützung von einer Selbsthilfegruppe“, sagt sie, „ich wollte mit meinem Elend nicht noch andere runterziehen.“ So etwas muss jeder mit sich selbst ausmachen, findet sie. „So stark bin ich, dass ich das selber schaffe.“ Das Arbeiten und Laufen haben ihr damals geholfen.

„Es gibt mehrere Lebensabschnitte“

Karin Pflaum lebt heute zufrieden. Ihr gehe es gut, sagt sie. Sie ist stolze Oma von vier Enkeln und hat ein super Verhältnis mit ihren anderen beiden Töchtern.
Julia ist Hebamme in Neumarkt, Kathrin ist Informatikerin in Bayreuth. Sie fährt oft mit ihrem Mann weg, das haben sie schon früher mit den Kindern gemacht. „Wir wollen ja auch Mensch bleiben“, sagt sie.
Das Ehepaar hat einen VW-Bus, mit dem sind sie oft unterwegs. Ihr Mann ist 62 Jahre. Wie es mit dem Geschäft mal weitergeht, wissen sie noch nicht. Einen Nachfolger in der Familie gibt es nicht. Seit 113 Jahren ist die Bäckerei Pflaum in Familienhand. „Aber es gibt mehrere Lebensabschnitte“, sagt sie. Für sie ist ein Leben ohne Geschäft vorstellbar. Über den tragischen Tod von Susanne sei sie weg, sagt Karin Pflaum. „Aber die Narben bleiben“, ergänzt sie.

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