Schaufensterkonzert Musikerlebnis schafft magische Momente

Wann haben wir das letzte Mal ein Konzert besucht? Ganz schön lange her. Mit spontanem Musikgenuss überraschte am 1. Mai das Bottles in der Sophienstraße.

 
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Bayreuth - Wie wäre es mit einem Stück Himmel auf Erden? Einem Lichtblick in aller irdischen Corona-Tristesse? Diesen bescherte am 1. Mai das Team des Bottles den Spaziergängern in der Sophienstraße. Spontan organisierten sie ein Schaufensterkonzert mit Hannes Wölfel und Lara Neumann.

Ideengeber war Tobias Müller von der Freien evangelischen Gemeinde Bayreuth. „Ich habe das auf Instagram aus Berlin gesehen“, sagt der junge Pastor. „Da saß ein Musiker hinter einem Fenster und spielte Piano, nur ein paar Minuten, aber es war cool und hat mich bewegt.“

Ein Stück Himmel auf Erden

Genauso „magische Momente“ wünschte er sich für die Menschen in Bayreuth. „Den Himmel auf Erden“ erleben oder zumindest einen besonderen Augenblick, das erhoffte er sich einigen Leuten durch ein Schaufensterkonzert zu ermöglichen. Der passende Ort für die Kunstaktion wurde schnell gefunden.

Andreas Türk vom Bottles war sofort begeistert, als er von dem Vorschlag hörte. „Wir können damit ein Zeichen setzen, dass es die Kultur noch gibt und auch, dass es uns noch gibt.“ Das Ereignis sollte „alltagsnah und lebensnah“ sein und die Leute direkt abholen.

Vor allem aber sollte es um die Musiker selbst gehen, die seit Monaten nicht auftreten dürfen. Sie sollten eine Plattform erhalten und in einer noch nicht bekannten Form ausprobieren, wie ein Konzert vor Publikum trotz Corona aussehen kann.

Nahezu intime Atmosphäre

Und das geht so: Hannes und Lara singen abwechselnd hinter der Scheibe. Davor in der Fußgängerzone stehen zwei Hocker. Über Kopfhörer sind die Zuhörer mit den Musikern in Verbindung. Alle anderen hören von der Musik nichts, wodurch eine nahezu intime Atmosphäre zwischen Solist und Zuhörer entsteht. Durch das Eintauchen in die Musik kann der „Konzertgast“ alles um sich herum ausblenden. Erstaunlich: Es gelingt tatsächlich, für einige Minuten zu vergessen, dass man mitten unter freiem Himmel in der Stadt sitzt.

Kultur in der Innenstadt

Andreas Türk stimmte das Ganze vor ab mit den Behörden ab, wie er erzählt. Er durfte nicht für das Konzert werben, damit keine Menschenansammlung entsteht. Auch auf einen To-Go-Getränke-Ausschank muss verzichtet werden. Die Stühle und Kopfhörer sind nach jedem Gebrauch zu desinfizieren. Trotzdem entsteht etwas Besonderes. „Wir wollten das Feeling zurückholen, denn wir haben alle seit einem halben Jahr keine Live-Musik mehr gehört“, sagt er zufrieden. Wenn nicht gerade Corona ist, wird sonst einmal im Monat ein Konzert im Bottles gegeben. Türk fehlt es, nicht mehr Gastgeber sein zu dürfen. Mit dem Schaufensterkonzert wolle er auch zeigen, dass Kultur in der Innenstadt Raum finden kann.

Ein völlig anderes Gefühl

Auch für Hannes Wölfel ist das Schaufensterkonzert ein ungewöhnliches Musikerlebnis. „Ich wollte hier sowieso mal spielen“, sagt der normalerweise als Solist und mit Band unterwegs ist. „An Ostern habe ich mein erstes Online-Konzert gegeben.“ Als Musiker vermisse er die Live-Atmosphäre und das Kribbeln im Bauch vor einem Auftritt. „Hinter einer Glasscheibe ist das auch wieder ein völlig anderes Gefühl, aber man sieht sein Publikum wenigstens.“

Im vergangenen Jahr habe er im Sommer „wunderschöne Konzerte“ spielen können, sagt Hannes Wölfel („Play again Sam“). Die meisten Musiker hätten gehofft, dass es nach Ostern wieder losgehe. „Leider ist es ein bisschen wie ein Lotteriespiel. Jetzt sinken die Zahlen wieder, also steigt die Hoffnung.“ Auch die Veranstalter könnten nicht richtig planen, sagt der Berufsmusiker und Gitarrenlehrer. Für das Schaufensterkonzert bereitete Hannes Wölfel eine Playlist mit 30 Songs vor. Von Ed Sheeran, den Beatles über Leonard Cohen oder Reamon, durften sich die Zuhörer etwas wünschen.

Der Kunst wieder Raum geben

Lara Neumann ist semiprofessionelle Musikerin und hat eine Gesangsstimme, die unter die Haut geht. „Mir macht das Spaß, wieder Musik zu machen und der Kunst wieder Raum zu geben“, sagt die Singer-Songwriterin.„Ich schreibe meine eigenen Songs und mache das ziemlich leidenschaftlich und zielstrebig.“ Als Atem- und Stimmlehrerin hat sie auch eine Gesangsausbildung gemacht. „Mich strengt das hier nicht an und es ist schön, wenn sich die Leute freuen.“

Über den Kopfhörer ist sie mit den Zuhörern „in einer eigenen Klangwelt“ unterwegs. Sie spricht mit ihnen, doch sie können nicht antworten. Nur Zeichen geben oder eben applaudieren. Die spontanen Zuhörer freuen sich über die tolle Akustik und ein besonderes musikalisches Erlebnis. „Überirdisch“, „megaschön“, „total gut“, lauten ihre Kommentare. Und viele wären am liebsten viel länger sitzen geblieben, als nur ein, zwei Song lang.

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