Was genau muss in Malta geklärt werden?
Entscheidend dürfte die Frage sein, welche Häfen die Schiffe künftig ansteuern. Im jüngsten Entwurf einer Einigung von Mitte September, der der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vorliegt, ist diese Frage noch offen. Italien dringt auf ein Rotationssystem, an dem sich auch Frankreich beteiligt. Paris lehnt das ab. Ebenfalls geklärt werden müsste, wie lange eine mögliche Einigung gültig sein wird, und welche Migranten verteilt werden. Sind es nur solche, die tatsächlich Aussicht auf Asyl haben? Italien und Malta dürften darauf drängen, dass ein künftiger Verteilmechanismus alle Migranten beinhaltet.
Tatsächlich ist ein großer Teil der Ankommenden nämlich nicht schutzberechtigt. In den ersten acht Monaten 2019 kamen der EU-Grenzschutzagentur Frontex zufolge fast 6600 Menschen über das zentrale Mittelmeer nach Europa. Viele von ihnen waren aus dem Sudan oder Pakistan. Fast jeder zweite Asylanträge von Sudanesen wurde der EU-Asylagentur Easo zufolge im vergangenen Jahr abgelehnt, von Menschen aus Pakistan wurden gut acht von zehn Anträgen negativ beschieden. Ein Großteil der Menschen müsste Europa also eigentlich wieder verlassen, was in der Praxis aber schwer durchzusetzen ist.
Wie geht es jetzt weiter?
Falls es in Malta eine Einigung gibt, sollen beim Treffen aller EU-Innenminister am 8. Oktober weitere Länder davon überzeugt werden, mitzumachen. Seehofer zufolge lässt sich "mit großem Einsatz" ein Dutzend Staaten erreichen. Auf eine Einigung mit allen EU-Staaten will er nicht warten - "dann kriegen wir nie eine Lösung".
Seehofer und anderen ist wichtig, dass es keinen "Pendeldienst" zwischen der libyschen Küste und Italien gibt. Deshalb seien auch Gespräche mit Hilfsorganisationen vorgesehen. Rettungsschiffe sollten mit den zuständigen Behörden kooperieren und dürften nicht mit Schleppern zusammenarbeiten. Auch dürften sie den Schiffen der libyschen Küstenwache nicht in die Quere kommen, heißt es im Entwurf der Malta-Erklärung.
Wäre das der große Wurf der europäischen Migrationspolitik?
Nein, es wäre eine Minimallösung - und doch ein Kraftakt. Mehr als ein Jahr hat es gedauert bis eine solche Einigung überhaupt möglich wurde. Die große EU-Asylreform dagegen ist seit Jahren blockiert. Das liegt vor allem an den Dublin-Regeln, wonach meist jenes Land für einen Asylantrag zuständig ist, in dem ein Flüchtling zuerst europäischen Boden betritt. Mittelmeerländer wie Griechenland und Italien fühlen sich dadurch allein gelassen. Eine Reform scheitert jedoch unter anderem an östlichen EU-Staaten wie Polen und Ungarn, die sich nicht zur Aufnahme Asylsuchender verpflichten lassen wollen.
Nun deutet sich erstmals seit langem Bewegung an. Die künftige EU-Kommissionschefin, Ursula von der Leyen, kündigte neue Vorschläge an. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeigte sich nach einem Treffen mit Italiens Premier Giuseppe Conte vorsichtig optimistisch. Und Seehofer warb für eine Dublin-Reform. Eine gute Gelegenheit bietet sich in der zweiten Jahreshälfte 2021. Dann hat Deutschland den Vorsitz der EU-Staaten und kann Schwerpunkte setzen.