Vom Vizeposten dürfte er versuchen, sich für eine Kanzlerkandidatur 2029 in Stellung bringen. Denn als Finanzminister wird Klingbeil nicht nur das mächtigste Ressort leiten und ein Vetorecht bei so gut wie allen Regierungsprojekten haben. Er wird auch auf internationalem Parkett, bei den Gipfeln der Staats- und Regierungschefs im G20- und G7-Format präsent sein.
Vizekanzler und Finanzminister: Dass das eine gute Ausgangsposition für eine Kanzlerkandidatur sein kann, hat 2021 zuletzt Olaf Scholz bewiesen. Mit dem Unterschied, dass Klingbeil zusätzlich SPD-Chef bleiben dürfte – und damit eine noch breitere Machtbasis in der Partei hat.
Was wird aus Esken?
Als Vizekanzler hat Klingbeil nun den Auftrag, die weiteren sechs Ministerinnen und Minister auszuwählen. Erst auf Nachfrage erklärte Generalsekretär Miersch, der Parteichef werde das in Absprache mit Esken, ihm selbst sowie den SPD-Ministerpräsidentinnen und -Ministerpräsidenten tun.
Die SPD will ihr Regierungsteam am kommenden Montag präsentieren – und sich dabei möglicherweise auch zum Fraktionsvorsitz und zur künftigen Parteispitze äußern.
Mit Spannung wird vor allem erwartet, was aus Esken wird. Darf sie neben Klingbeil ins Kabinett einziehen und zum Beispiel das Entwicklungsministerium übernehmen? Tritt sie auf dem Parteitag im Juni erneut für den Parteivorsitz an?
In der SPD-Basis stößt jedenfalls vielen auf, dass Esken leer ausgehen könnte, während Klingbeil so kalt nach der Macht greift – wo doch beide gemeinsam und zusammen mit Scholz die Wahlniederlage zu verantworten haben. Besonders SPD-Frauen und Parteilinke fordern deshalb eine herausgehobene Position auch für Esken.
Verteidigungsminister Pistorius gilt als gesetzt
Bei der Aufstellung des SPD-Regierungsteams sollen laut Miersch nicht nur Erfahrung und Kompetenz eine Rolle spielen. Es soll auch das Versprechen erfüllt werden, dass neue Gesichter ins Kabinett einziehen. Trotzdem gilt als sicher, dass der 65-jährige Boris Pistorius Verteidigungsminister bleibt.
Für das mit viel Geld ausgestattete Ministerium für Arbeit und Soziales wird die frühere Bundestagspräsidentin Bärbel Bas gehandelt. Außerdem übernimmt die SPD das Justizministerium, das Ministerium für Umwelt und Klimaschutz, das Entwicklungsministerium und das Bauministerium.
Damit die Regierung am kommenden Dienstag genau ein halbes Jahr nach dem Bruch der Ampel-Koalition ihre Arbeit aufnehmen kann, muss aber noch eine allerletzte Hürde genommen werden: Merz muss mit den Stimmen von Union zum Kanzler gewählt werden.
In der geheimen Abstimmung ist die sogenannte Kanzlermehrheit von 316 der 630 Abgeordneten notwendig. Schwarz-Rot stellt 328. Auch wenn es nur ein Polster von zwölf Stimmen gibt, gilt eine Mehrheit im ersten Wahlgang als sehr wahrscheinlich.