Bericht an den Bundestag Rechnungshof: 2019 fehlen der Bahn drei Milliarden Euro

Das Logo der Deutschen Bahn auf einem ICE im Hauptbahnhof von Frankfurt/M. Foto: Silas Stein Foto: dpa

Die Deutsche Bahn muss mit einem milliardenschweren Schuldenberg im Rücken die steigende Nachfrage im Fernverkehr bewältigen und das veraltete Schienennetz auf Vordermann bringen. Der Bundesrechnungshof schlägt jetzt Alarm.

 
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Berlin - Der Bundesrechnungshof hat angesichts der Gewinneinbrüche bei der Deutschen Bahn vor wachsenden finanziellen Problemen gewarnt.

Dem bundeseigenen Konzern fehlten allein in diesem Jahr mehrere Milliarden Euro, die Verschuldung sei gestiegen, schreiben die Prüfer in einem Bericht an den Bundestag. Das Dokument liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Die Prüfer gehen davon aus, dass die Erträge weiter zurückgehen. Der Handlungsbedarf für den Bund verschärfe sich.

"Bereits bis Ende des Jahres 2019 wird eine signifikante Finanzierungslücke von fast 3 Milliarden Euro bestehen", heißt es in dem Bericht. Eine Neuverschuldung sei nicht möglich, "ohne die Verschuldungsgrenze zu überschreiten". Sollte ein Verkauf der Auslandstochter Arriva die Lücke nicht schließen oder kein Geschäft zustandekommen, könne die Bahn ihre Investitionen "nicht aus eigener Kraft finanzieren", heißt es in dem Dokument, über das zuvor das ZDF berichtet hatte. Ungeachtet von Arriva empfiehlt der Rechnungshof zudem, den Verkauf der internationalen Logistiktochter Schenker zu prüfen.

Aus Unternehmenskreisen hieß es am Freitag dagegen: "Der Bundesrechnungshof ist ganz offenbar nicht auf dem aktuellen Stand. Dem DB-Aufsichtsrat liegt ein belastbares Konzept vor, in dem die Finanzierung milliardenschwerer Investitionen in jedem Fall aus eigener Kraft gesichert ist." Die Aufsichtsratssitzung ist am 18. September geplant. Ein Thema werden die Arriva-Verkaufspläne sein.

Die Deutsche Bahn hatte am Donnerstag mitgeteilt, dass der Aufsichtsrat in seiner Sitzung ein Konzept zur Finanzierung der Wachstumsstrategie erörtern werde. "Kurzum, es gibt für milliardenschwere Investitionen in Züge, Infrastruktur und Personal einen klaren Fahrplan. Die finanzielle Stabilität des DB-Konzerns zeigt sich unter anderem auch in dem unverändert guten Rating am Kapitalmarkt", betonte die Bahn.

Der Konzern steht vor großen Herausforderungen, weil es einen Investitionsstau im Schienennetz gibt - viele Züge kommen auch deshalb zu spät. Zugleich steigt die Nachfrage. Doch obwohl die Fernverkehrszüge von immer mehr Reisenden genutzt werden, gab es nach einem Krisenjahr auch im ersten Halbjahr 2019 einen starken Gewinneinbruch. In seiner Halbjahresbilanz hatte der bundeseigene Konzern das auch auf hohe Investitionen zurückgeführt, um die Qualität für die Bahnkunden zu verbessern. Der Bundeskonzern hatte sich vor einiger Zeit eine neue Strategie verordnet. Sie heißt "Starke Schiene" und zieht einen Schlussstrich unter frühere internationale Expansionspläne. Alles, was die Bahn tut, soll sich auf die Stärkung der Eisenbahn in Deutschland ausrichten.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte der "Bild"-Zeitung (Freitag), er erwarte vom Aufsichtsrat "klare Antworten". Er habe zudem den Vorstand beauftragt, "die Konzernstrukturen effizienter zu organisieren sowie zu verschlanken. Die Strukturen müssen den Hunderttausenden Mitarbeitern und Millionen Kunden dienen." Ein Sprecher Scheuers sagte, die wirtschaftliche Situation beim DB-Konzern sei angespannt und nicht zufriedenstellend.

In dem Rechnungshofbericht wird von einer besorgniserregenden Entwicklung gesprochen. Die Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr 2019 unterstreiche den Negativtrend "und damit die Dringlichkeit einer strukturellen Weiterentwicklung". Die Schulden hätten bereits zum 30. Juni den vom Haushaltsausschuss festgelegten Grenzwert für den 31. Dezember 2019 überschritten.

Die beteiligten Bundesministerien erklärten laut Bericht das schlechte Ergebnis damit, dass die Konzernsparten DB Regio und DB Cargo ihr "Potenzial derzeit nicht vollständig ausgeschöpft" hätten. "Die Bundesministerien sind ferner davon ausgegangen, dass die angespannte Liquiditätslage eine vorübergehende Erscheinung bis zum Jahr 2023 sei." Grund für die hohen Kosten waren demnach "Sonderinvestitionen insbesondere für Fernverkehrszüge und das Projekt Stuttgart 21".

Ein Sprecher des Bundesrechnungshofes bestätigte am Freitag, dass der Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages ging, äußerte sich aber mit Verweis auf das Beratungsverfahren im Parlament nicht.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler kritisierte, Scheuer sowie dessen Vorgänger Alexander Dobrindt und Peter Ramsauer (alle CSU) hätten die Probleme der Bahn ignoriert. "Seit Jahren fehlt eine politische Steuerung des Eigentümers Bund", sagte Kindler. Das Unternehmen habe sich verselbstständigt, ein Konzernumbau sei überfällig. Dazu gehöre auch, die Rechtsform AG zu ändern.

Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag, Michael Theurer, sagte: "Das Missmanagement bei der Deutschen Bahn muss endlich ein Ende haben. Die Bundesregierung muss sich fragen lassen, ob sie ihrer Aufsichtsfunktion als Eigentümervertreter überhaupt vernünftig nachkommt."

Bereits in einem Sonderbericht im Januar hatte der Rechnungshof den Bund als Eigentümer der Deutschen Bahn aufgefordert, nicht benötigte Unternehmensteile vollständig zu verkaufen.

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