Für einen Umstieg aufs Fahrrad aber gilt eine gute Radverkehrsinfrastruktur als zentrale Voraussetzung, damit Radfahren komfortabel und sicher ist - und dazu brauchen Fahrräder mehr Raum. "Radfahrer sind gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr", sagt Scheuer. "Sie brauchen deshalb nicht nur mehr Akzeptanz, sondern vor allem mehr Platz."
INVESTITIONEN UND INFRASTRUKTUR: Jahrzehntelang sind Milliarden in den Aus- und Neubau von Straßen geflossen sowie in die Schiene. Das ist auch im Etat 2020 nicht anders. Im laufenden Haushalt stellt das Verkehrsministerium 200 Millionen Euro Bundesmittel für den Radverkehr bereit, zur Förderung von Radwegen an Bundesstraßen oder Radschnellwegen - für den Bau und den Erhalt der restlichen Radwege sind die Länder, Kreise und Kommunen zuständig.
Nun soll es aber einen großen Batzen mehr Geld geben: Das Klimaschutzprogramm der Regierung sieht bis 2023 zusätzlich 900 Millionen Euro vor, um erstmals Infrastrukturprojekte der Länder und Kommunen zu fördern, wie Scheuer sagt. Damit stünden bis 2023 für den Radverkehr allein auf Bundesebene 1,45 Milliarden Euro zur Verfügung: "Ziel ist eine gerechtere Aufteilung des Straßenraums und eine möglichst lückenlose und sichere Radinfrastruktur." Der Städtetag fordert eine "Radwegeoffensive" von Bund, Ländern und Kommunen. Dedy: "Da ist schon einiges angeschoben, aber es bleibt noch viel zu tun. Radschnellwege müssen ausgebaut werden, damit sie eine echte Alternative zum Auto bieten und die Städte mit dem Umland besser verbinden."
Der ADFC fordert seit langem wesentlich mehr Mittel: "Deutschland muss mehr als 30 Jahre Stagnation beim Ausbau der Fahrradinfrastruktur aufholen - und das ist ein ziemlich dickes Brett", sagt Sprecherin Stephanie Krone. Die größte Herausforderung sei, dass auf Radverkehr spezialisierte Planer und entsprechende Beratungsbüros fehlten. "In den Niederlanden und Dänemark hat der Bau von breiten, durchgängigen Radwegen und sicheren Kreuzungen eine lange Tradition, in Deutschland ist das auch fachlich noch Neuland."
MEHR SCHUTZ: Mehr Platz und mehr Rechte für Radler, strengere Regeln für Autos: Radfahren soll sicherer werden. Erst vor kurzem beschloss das Bundeskabinett Vorschläge Scheuers, dem aber noch die Länder zustimmen müssen. So sollen Bußgelder fürs Parken in der "zweiten Reihe", auf Geh- und Radwegen steigen. Außerdem soll es neben Fahrradstraßen künftig ganze Zonen geben - dort ist dann generell höchstens Tempo 30 erlaubt, der Radverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Beim Rechtsabbiegen soll es einen Grünpfeil geben, der nur für Radfahrer gilt.
BAHNHÖFE UND MITNAHME IN ZÜGEN: Mit dem Rad zum Bahnhof, dann mit dem Zug weiter, oder das Rad gleich mitnehmen - eine schöne Idee. An der Umsetzung aber hapert es. Zum einen gibt es an vielen Bahnhöfen in Großstädten zu wenig Stellplätze für Fahrräder. Und eine Mitnahme in Zügen ist bisher schwierig. Das soll besser werden, die Bahn will das Angebot deutlich ausbauen. 2025 sollen auch auf allen Fernstrecken Fahrradstellplätze verfügbar sein, wenn auch noch nicht in jedem Zug.
WIE FAHRRADFREUNDLICH ALSO IST DEUTSCHLAND?
Im Vergleich vor allem zu anderen Ländern fällt das Urteil der Branche und vieler Experten bisher ernüchternd aus. "Die Menschen in Deutschland wollen gern mehr Fahrrad fahren, aber die Verhältnisse auf den Straßen sind oft beängstigend", sagt ADFC-Sprecherin Krone. "Eine fahrradfreundliche Nation müssen wir erst noch werden." Beim Städtetag heißt es: "Deutschland ist ein Aufsteiger-Land in Sachen Fahrrad." Der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar wird noch deutlicher: "Radfahren in Deutschland ist immer noch auf Holzklasseniveau. Das wird besonders deutlich, wenn der Radverkehr in den Niederlanden oder in Dänemark im Vergleich betrachtet wird." Es gebe extrem viel aufzuholen.