Wie viele Kilometer Pop-up-Radwege es deutschlandweit gibt, weiß das Bundesverkehrsministerium nicht. Laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sind es im Vergleich zu vielen anderen Ländern wenige. Der Grund: Viele Kommunen äußerten juristische Bedenken bei der Umsetzung der Radwege, erklärt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
Ein Rechtsstreit in Berlin hat zur Unsicherheit beigetragen. Dort waren 2020 viele Wege entstanden, die für mehr Sicherheit und Abstand zwischen Rad- und Autofahrern sorgen sollten. Ein AfD-Abgeordneter klagte jedoch dagegen und bekam vom Verwaltungsgericht Recht. Das Oberverwaltungsgericht setzte das Urteil wieder außer Kraft. Ende Februar wurde das Verfahren eingestellt. Die Radwege bleiben vorerst.
Die aktuelle Straßenverkehrsordnung (StVO) macht es den Befürwortern der Pop-up-Radwege ebenfalls nicht leicht. Die Anordnung von Schutzstreifen für den Radverkehr ist laut Bundesverkehrsministerium sogar unter erleichterten Voraussetzungen möglich - aber: Nachweise für eine Notwendigkeit sind dennoch nötig. "Bisher gilt ein Radweg als Verkehrshindernis, dessen Einrichtung man aufwendig durch Gefahrensituationen begründen muss", sagt ADFC-Sprecherin Krone. Dieser Begründungszwang müsse weg. "Radwege sind kein Verkehrshindernis, sondern Verkehrsermöglicher."
Immerhin bleibt den Behörden bei der Begründung ein Spielraum, erläutert die Sprecherin des Berliner Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg, Sara Lühmann. Im Bezirk gibt es derzeit etwa elf Kilometer Pop-up-Radwege. "Man zählt die Verkehrsverstöße, Unfallzahlen oder guckt auf die Abstände der Pkws zu den Radfahrern."
Zudem seien Radfahrer durch den Begründungszwang benachteiligt, meinen die Grünen. Man müsse die Logik umdrehen: "Tempo 50 innerorts nur dann, wenn das als ungefährlich eingeschätzt wird - das wäre am Menschen orientiert", so Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar.
Doch nicht jeder Pop-up-Radweg kommt gut an, wie ein Beispiel aus Stuttgart zeigt. Dort wurde ein solcher Radweg im Juni vergangenen Jahres errichtet - und im Oktober wieder zurückgebaut. Der Grund: Beschwerden aufgrund von Lärmbelästigung und eine Beeinträchtigung für Fußgänger durch kürzere Grünphasen der Ampeln.
Der Autoclub ADAC wirft ein, dass Pop-ups nicht zu mehr Sicherheit führten, sondern sogar neue Konfliktsituationen schafften. "Teils enden die neuen Pop-up-Spuren unvermittelt vor den Knotenpunkten, teils gibt es Konflikte mit dem ruhenden Verkehr, was zu neuen Gefahrensituationen führen kann", sagt Sprecher Johannes Boos. Er fordert ein nachhaltiges Konzept und nicht gelbe Linien, die die ideologischen Fronten zwischen Auto- und Fahrradfahrern verhärteten.
Auch Union-Fraktionsvize Ulrich Lange wünscht sich mehr Planung. "Denn schnell aufgemalt und losgefahren heißt nicht, dass es auch automatisch sicherer für alle Verkehrsteilnehmer wird." Die FDP fürchtet, dass durch die engeren Autospuren Staus entstehen. Statt unkontrollierter Hau-Ruck-Aktionen brauche es langfristige Lösungen, ohne Nachteil für den übrigen Verkehr, so Liberaler Christian Jung.
Das Thema drängt, nehmen im Frühling doch wieder mehr Leute das Rad.
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