"Das Finanzsystem ist immer noch fragil"

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Vor zehn Jahren taumelte die Welt in eine schwere Finanzkrise. Haben Staaten und Banken die richtigen Lehren gezogen? Ein Gespräch mit dem Bayreuther Professor Klaus Schäfer.

 
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Herr Professor Schäfer, vor zehn Jahren brach die Finanzkrise aus, deren Folgen noch immer spürbar sind. Haben Politik und Finanzsektor aus der Krise gelernt?

Klaus Schäfer: Die Politik ist erkennbar bemüht, Lehren zu ziehen. Es gibt auch einige Parameter, bei denen es messbare Fortschritte gegeben hat. Die Eigenkapital-Vorschriften für Banken sind deutlich verschärft worden. Viele Institute erfüllen schon jetzt die Eigenkapitalquoten, die schrittweise verpflichtend erhöht wurden und die finale Stufe dann erst ab 2019 erreichen. Die Finanzbranche ist auch deutlich stärker reguliert als vor der Krise, manchmal allerdings zum Leidwesen der vielen Regionalbanken gerade in Deutschland.  

 

Können Sie das genauer erläutern?

Schäfer: Die Europäische Zentralbank hat die direkte Aufsicht für sogenannte signifikante Banken, also die größten und wichtigsten Banken eines Landes, übernommen. Für die rund 30 global systemrelevanten Banken, die der Finanzstabilitätsrat, eine internationale Aufsichtsbehörde, bestimmt hat, gelten noch strengere Eigenkapitalvorschriften. Damit sollen große und stark vernetzte Institute, die für das Finanzsystem von herausragender Bedeutung sind, etwaige Verluste noch besser auffangen können. Es soll verhindert werden, dass durch Schieflagen bei solchen Instituten das gesamte Finanzsystem destabilisiert wird oder gar kollabiert.

Für den Bankensektor wird aktuell eine Eigenkapitalquote von acht Prozent gefordert. Einigen Ökonomen ist das viel zu wenig, sie fordern 25 bis 30 Prozent. Was halten Sie davon?
Schäfer: Grundsätzlich gilt: Je mehr Eigenkapital, desto stabiler ist ein Finanzinstitut und desto mehr Vertrauen genießt es. Aber die optimale Kapitalstruktur ist ein umstrittenes Thema, nicht nur bei Banken, sondern auch bei Unternehmen außerhalb des Finanzsektors. Pauschalaussagen sind schwierig. Es ist fraglich, wie belastbar die genannten Zahlen sind. 25 oder gar 30 Prozent erscheinen mir wenig realistisch. Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen, wie schwer sich auch große Banken mit Kapitalerhöhungen tun.

 

Kreditausfallversicherungen, sogenannte Credit Default Swaps (CDS), hatten die Krise beschleunigt, weil mit ihnen auf die Pleite von Banken gewettet wurde. Sie waren deshalb so gefährlich, weil niemand genau wusste, welcher Finanzmarktakteur solche Positionen hielt und in welcher Höhe. Herrscht nun mehr Transparenz?

Schäfer: Ja, auf diesem Feld gibt es deutliche Fortschritte. Als außerbörslich gehandelte Finanzprodukte sind CDS eben weniger transparent und schwieriger zu regulieren. Die EU hat aber jetzt eine sogenannte Clearingpflicht für den Großteil der CDS festgelegt. Beide Vertragspartner müssen damit kurz nach Abschluss von CDS-Kontrakten eine börsenähnliche Institution einschalten, die Sicherheiten verlangt und Risiken kalkuliert. Darüber hinaus müssen Finanzinstitute solche Transaktionen nun grundsätzlich melden. Es gibt also ein Transaktionsregister, das Transparenz schafft. Letztlich ist das außerbörsliche derivative Geschäft für Banken weniger attraktiv geworden. Das Volumen dieses Marktes ist mittlerweile spürbar geschrumpft.


Etliche Analysten und Ökonomen warnen vor Gefahren für das Wirtschafts- und Finanzsystem durch Risikofaktoren wie stark wachsende Vermögenspreise und die hohe Verschuldung vieler Industrienationen. Teilen Sie diese Sorgen?

Schäfer: Ich halte sie für begründet. Die hohe Verschuldung mancher Industrienation ist in der Tat besorgniserregend. Damit verbunden ist häufig ein schwaches Wirtschaftswachstum. Die meisten Banken sind mittlerweile stabiler geworden, aber das gesamte Finanzsystem ist immer noch fragil. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank treibt viel Geld in Aktien- und Immobilienmärkte oder alternative Investments wie Private Equity, weil Investoren auf der Suche nach Rendite dazu gezwungen sind, größere Risiken einzugehen. Dadurch steigt die Gefahr, dass sich Preisblasen bilden, die irgendwann platzen. Auch die Zinswende, die irgendwann kommen wird, birgt Risiken.

 

Welche sehen Sie?

Schäfer: Wenn das Zinsniveau wieder steigt, müssen viele Investoren ihre Portfolios wertberichtigen. Das könnte bei manchen Finanzinstituten zu Problemen führen, wodurch auch der Gesamtmarkt in Mitleidenschaft gezogen werden könnte.  

 

Stichwort Niedrigzinsen. Wie lange halten die Sparkassen und Genossenschaftsbanken die ultralockere Geldpolitik der EZB noch durch?

Schäfer: Das ist schwer zu beurteilen. Die Sparkassen und Genossenschaftsinstitute leiden besonders stark unter der expansiven Geldpolitik der EZB, weil ihre Erträge maßgeblich aus dem Zinsgeschäft stammen. Eine Umfrage der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank unter 1500 kleinen und mittleren Kreditinstituten zeigt aber, dass sich die Sparkassen und Genossenschaftsbanken tendenziell für eine anhaltende Niedrigzinsphase recht gut gerüstet sehen. Viele Institute haben bereits eine ordentliche Eigenkapitalausstattung und wollen ihre EK-Quote weiter erhöhen. Gerechnet wird jedoch damit, dass die Gewinne weiter schmelzen und der Fusions- und Spardruck aufgrund der zunehmenden regulatorischen Anforderungen und des verschärften Wettbewerbs anhält.  

 

Schafft die EZB rechtzeitig den Ausstieg aus ihrer unkonventionellen Geldpolitik?

Schäfer: Ein abrupter Ausstieg ist nicht zu erwarten. Die EZB wird vielmehr bemüht sein, einen vorsichtigen Kurswechsel vorzunehmen, weil sie den zarten Wirtschaftsaufschwung in der Eurozone nicht abwürgen will.  

 

Eingestiegen ist man schnell in eine lockere Geldpolitik, aber der Ausstieg ist umso schwieriger?

Schäfer: So ist es. Die Geldpolitik der EZB ist ein Experiment mit ungewissem Ausgang.

 

Zur Person

Klaus Schäfer, Jahrgang 1962, lehrt seit 2005 Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der Universität Bayreuth. Er gehört dem Vorstand des Betriebswirtschaftlichen Forschungszentrums für Fragen der mittelständischen Wirtschaft (BF/M) in Bayreuth an. Darüber hinaus ist er Mitglied der Forschungsstelle Bankrecht und Bankpolitik der Uni Bayreuth.

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