Der Andrang hat zugenommen
Lange Wartezeiten gibt es auch bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) am Bezirkskrankenhaus in Bayreuth. „Die Nachfrage ist in allen Bereichen groß“, sagt Leitende Oberärztin Stephanie Steinmann, die seit mehr als 20 Jahren an der Klinik tätig ist. „In den Jahren hat der Andrang nach meinem Eindruck zugenommen.“ Das belegen auch die Zahlen: Im Jahr 2010 nahm die KJP 305 Patienten stationär auf, im vergangenen Jahr waren es schon 543.
"Das tut mir als Ärztin weh"
Wenn nicht gerade ein Notfall vorliege, könne die Wartezeit mehrere Wochen bis Monate betragen, sagt Steinmann. „Das tut mir als Ärztin weh, wenn ich nicht gleich helfen kann.“ Wegen des Ärztemangels könnten die niedergelassenen Kollegen zu wenige Patienten abfangen. Viele Kliniken bauten wegen der steigenden Nachfrage die Kinder- und Jugendpsychiatrie aus und suchten Personal. Auch in Bayreuth, wo diese Woche ein neuer Chefarzt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie seinen Dienst angetreten hat, sind Stellen frei. Der räumliche Ausbau der Kinder und Jugendpsychiatrie in Bayreuth ist schon beschlossene Sache und soll Ende des Jahres beginnen, und zwar sowohl der Ambulanz als auch der Tagesklinik als auch des stationären Bereichs.
Es wird genauer hingeschaut
Auf die Frage, warum immer öfter die Hilfe von Kinder- und Jugendpsychiatern nachgefragt wird, verweist Steinmann auf eine Studie des Robert-Koch-Instituts. Demnach haben zumindest in den vergangenen 15 Jahren die psychischen Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen nicht zugenommen. Allerdings schauten Eltern, Lehrer, Erzieher und Kinderärzte heute genauer hin. „Wenn früher Kinder einfach als unerzogen abgestempelt wurden, wird heute mehr darauf geachtet, ob dieses Kind nicht vielleicht Hilfe braucht.“ Außerdem sei die Psychiatrie zumindest teilweise entstigmatisiert. Das heißt: Wer dort Hilfe sucht, wird nicht gleich abgestempelt.
Es gibt immer viele Gründe
Für psychische Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen gebe es nie die eine Ursache, immer wirkten viele Faktoren zusammen. Steinmann und Nölkel nennen an erster Stelle zerbrechende, nicht mehr funktionsfähige Familien und steigenden Druck in der Schule. Auch mit neuen Störungsbildern hat man es zu tun: Cybermobbing, Internetsucht und psychische Erkrankungen junger Geflüchteter, die traumatisiert sind oder in Deutschland Ausgrenzung erleben müssen. Was Steinmann auffällt: Patienten, die sich selbst verletzen oder bei denen Suizidgefahr besteht, werden immer jünger.