Projekt Profil zeigen Realschüler lernen Streitkultur

Pascal Hanisch führt Workshops, um Schüler über Fake News aufzuklären. Foto: red

In der Alexander-von-Humboldt-Realschule in Bayreuth bringt Pascal Hanisch den Zehntklässlern bei, wie sie ihre Meinung vertreten und Fake News enttarnen. Er ist Teil des bundesweiten Projekts Profil zeigen.

 
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Welches Gesetz ist das wichtigste? „Tierschutz“, sagt eine Schülerin der Alexander-von-Humboldt-Realschule. „Nein, die Menschenwürde“, entgegnet ihr Klassenkamerad.

Pascal Hanisch (32) wirkt zufrieden. Er ist Mitarbeiter bei Profil zeigen!, einem Projekt, dass Jugendlichen politische Diskussionen näherbringen will. Gefördert wird seine Arbeit durch das Netzwerk Politische Bildung Bayern.

„Wir müssen uns wieder mehr streiten“, sagt Hanisch. Dafür brauche es aber Ehrlichkeit. Dass die nicht selbstverständlich ist, zeigt Hanisch anhand eines Beispiels. Die Realschüler sehen einen Auszug aus Colin Powells Rede, der 2003 als Außenminister der USA den Einmarsch in den Irak begründete. „Er hat gelogen“, sagt Hanisch. Powell sagte vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besaß.

Fake News kennen die Schüler aus dem Internet. Die wenigsten überprüften aber woher die reißerischen Schlagzeilen stammen. Dabei kennen sie seriöse Quellen: Universitäten, Behörden und vertrauensvolle Medien.

Auch Verschwörungstheorien sehen sie häufiger. Gelächter hallt durch den Raum, als die Schüler sie aufzählen: „Die Erde ist eigentlich flach“, „Aliens leben in der Air-Force-Basis Area 51“, „Die einflussreichsten Menschen sind eigentlich Reptilien“. Dozent Hanisch warnt: „Es gibt zu viele Menschen, die darauf reinfallen.“ Verschwörungstheorien seien dadurch erkennbar, dass nichts aus Zufall geschehe und alles miteinander zusammenhinge. Zudem neigten diese Mythen zu der Ansicht: Das vermeintlich Gute müsse gegen das vermeintlich Böse kämpfen.

Im Mehrzweckraum wirft der Projektor den Bruderkuss zwischen Leonid Breschnew und Erich Honecker an die Wand. Die Schüler kennen das Bild der Berliner East Side Gallery. Hanisch sagt, dieses Bild passt in die heutige Zeit. Als Charaktere wünsche er sich die Präsidenten der Ukraine und von Russland. „Das Bild wünsche ich mir als Schlagzeile für morgen: Russen und Ukrainer vertragen sich.“ Die Schüler äußern auch andere Wünsche. „Die Affenpocken sind keine Bedrohung“, „Die Pandemie ist vorbei“. „Cannabis ist komplett legal“, sagt ein anderer.

Laut der Jugendstudie der Vodafone-Stiftung vom April 2022 machen sich 86 Prozent der jungen Menschen in Deutschland Sorgen um ihre Zukunft. Ein Viertel bezeichnet die Demokratie in Deutschland als schwerfällig. Herausforderungen werden zu lasch und zu langsam gelöst, wenn überhaupt. Nur 23 Prozent vertrauen darauf, dass Deutschland den Klimawandel bis 2050 im Griff hat.

Hanisch sieht das als klare Warnung. Er hat eine kleine Pflanze dabei. „Das ist die Demokratie“, sagt er, „sie kann nur wachsen, wenn wir uns um sie kümmern.“

Weniger als ein Drittel der 14- bis 24-Jährigen hat laut Vodafone-Stiftung das Gefühl, die Politik beeinflussen zu können. Sie zweifle auch daran, wie mächtig die Demokratie in Deutschland ist: Nur die Hälfte der Befragten ist zufrieden mit ihr. Der Aussage „es ändert sich nichts, egal wer regiert“ stimmten 58 Prozent der Jugendlichen zu.

„Wir machen es uns leicht“, sagt Hanisch, „An allem, was nicht gut läuft, ist eine höhere Elite schuld, die Politiker.“ Das sei das Verführerische am Populismus: Menschen bräuchten einen Sündenbock. Mit voreingenommenen Aussagen würden sie die komplizierte politische Welt strukturieren.

„Das Volk“ gibt es laut Hanisch gar nicht. Unsere Gesellschaft bestehe aus verschiedenen Individuen, die alle unterschiedliche Ansichten hätten. „Die Welt ist nicht schwarz und weiß.“

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