Professor Martin Schmidt-Kessel über den freie Markt und die Tücken der Fahrgeschäft-Preise Preise beim Volksfest: Das sagt der Jurist

Von Katharina Wojczenko

Mehrfach wechselnde Fahrpreise: Der Betreiber des Fahrgeschäfts Sling Shot hat sich damit auf dem Bayreuther Volksfest wenig Freunde gemacht. Ist das erlaubt? An welche Regeln sich Unternehmer halten müssen, erklärt Professor Martin Schmidt-Kessel von der Uni Bayreuth im Interview.

 
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Besonders übel stieß bei Volksfest-Besuchern auf, dass der Betreiber am Familientag zwar den halben Preis verlangt, ihn aber kurz vorher verdoppelt hatte, sodass er bei zehn Euro blieb. Er behalte sich seine Preisgestaltung selbst vor und wolle flexibel reagieren, sagte der Österreicher.

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Darf ein Unternehmer seine Preise völlig frei gestalten?

Martin Schmidt-Kessel: Ja. Wir haben völlige Preisfreiheit in Deutschland. Es gibt nur Grundsätze, an die sich ein Unternehmer halten muss. Er darf keinen Wucher treiben oder die Preise intransparent festsetzen. Das kann der Fall sein, wenn der Preis in der Werbung und der tatsächliche nicht übereinstimmen, oder bei Vertragsschlüssen im Internet versteckte Kosten wie Steuer und Zusatzgebühren hinzukommen. Es gibt in Deutschland nur wenige Sektoren mit festgeschriebenen Preisen. Dazu zählen ärztliche Gebühren, Anwaltskosten und die Buchpreisbindung.

Der Kunde hat also kein Anrecht auf gleiche Preise?

Schmidt-Kessel: Verkäufer und Anbieter von Dienstleistungen dürfen grundsätzlich Menschen unterschiedlich behandeln. Der Nordbayerische Kurier könnte zum Beispiel für die Lieferung der Zeitung in der Stadt Bayreuth einen anderen Preis verlangen als im Landkreis. Oder von Juristen mehr Geld verlangen als von Ärzten. Was nicht erlaubt ist: Von Männern und Frauen oder Katholiken und Muslimen  unterschiedliche Preise zu verlangen - jedenfalls im Massenverkehr, also wenn wie auf dem Volksfest viele Geschäfte der gleichen Art abgeschlossen werden.

Sind Unternehmen sonst noch limitiert?

Schmidt-Kessel: Durch die Freiheit des Kunden, Nein zu sagen. Niemand muss auf dem Volksfest mit dem Sling Shot oder einem anderen Geschäft fahren. Unsere Rechtsordnung sagt: Der Markt regelt den Preis. Anders sieht es aus, wenn der Kunde keine Freiheit hat, Nein zu sagen, weil es etwa nur einen Anbieter für die Leistung gibt. Bei solchen Monopolstellungen greifen zum Beispiel die Kartellbehörden ein.

Darf ein Veranstalter, der zum Beispiel fürs Volksfest Stellplätze vermietet, dem Mieter Fahrpreise festschreiben? 

Schmidt-Kessel: Das hängt davon ab, ob der Veranstalter eine Monopolstellung hat. Je mehr konkurrierende Plätze es gibt, desto mehr darf der einzelne Veranstalter festschreiben. Und die öffentliche Hand unterliegt mehr Beschränkungen als ein privater Veranstalter. Ich kenne den Volksfest-Markt nicht gut genug, gehe aber davon aus, dass es ein großes Angebot an Plätzen gibt. In der Regel versuchen die Gemeinden, die Preise für Beschicker nicht festzulegen, sondern machen bei der Ausschreibung grobe Vorgaben zur Preisgestaltung wie „familiengerechte Preise“. Das ist erlaubt. 

Welche Möglichkeiten hat ein Vertragspartner, gegen Verstöße bei den Preisen vorzugehen?

Schmidt-Kessel: Wenn im Vertrag steht, dass der Schausteller beim Familientag die Preise halbieren muss, handelt er vertragswidrig, wenn er dies nicht tut. Die BMTG könnte dann möglicherweise beim Gericht per einstweilige Anordnung auf Einhaltung des Vertrags klagen und dies würde dann mit Zwangsgeldern durchgesetzt. Ein Schadenersatz kommt hingegen kaum in Betracht, denn der BMTG entsteht wohl kein finanzieller Schaden – und der beschädigte Ruf ist nicht ersatzfähig. Außerdem könnte sie etwa auf Feststellung des Vertragsbruchs klagen. Damit der Betreiber auf eine Schwarze Liste und künftig bei der Vergabe nicht mehr zum Zug kommt. 

Und was können die Besucher tun?

Schmidt-Kessel: Der Besucher am Familientag wird sich trotzdem kaum auf den halben Preis berufen können. Anders schaut es bei den anderen Schaustellern aus: Ihr Verband könnte möglicherweise auf Unterlassung solchen Geschäftsgebarens klagen, weil dies kein wettbewerblich faires Verhalten ist.

Künftig will die BMTG vertraglich festhalten, dass die Schausteller für jede Preisänderung das Einverständnis des Veranstalters brauchen. Ist das erlaubt?

Schmidt-Kessel: Ich gehe davon aus, dass man das hineinschreiben kann. Allerdings kann dadurch auch ein Anspruch gegenüber der BMTG entstehen. Wenn zum Beispiel ein Kälteeinbruch kommt und die Schausteller auf einmal Heizstrahler aufstellen müssen und massive Stromkosten haben, müsste die BMTG wohl einer Preiserhöhung zustimmen.

Wer profitiert von wechselnden Preisen?

Schmidt-Kessel: Darauf gibt es keine klare Antwort. Wer sich auf niedrige Preise schnell einstellt, wie an bei der Zapfsäule mit den Tankstellen-Apps, profitiert. Von der Erhöhung profitiert der Unternehmer, solange er nicht zu viele Kunden verliert.

Martin Schmidt-Kessel (48) lehrt deutsches und europäisches Verbraucherrecht und Privatrecht an der Uni Bayreuth.

Neue Verträge statt verklagen: Das sagt die BMTG

Ob der Veranstalter gegen Fahrgeschäft-Betreiber Franz Printschler gerichtlich vorgehen wird, kann Jan Kempgens noch nicht sagen. Er ist bei der Bayreuth Marketing & Tourismus GmbH für das Volksfest verantwortlich. Eine jahrelange juristische Auseinandersetzung hätte den Besuchern am Familientag auch nicht weitergeholfen, sagt Kempgens. "Die Frage ist, ob dem Bayreuther Volksfest ein Schaden durch seine negativen Äußerungen entstanden ist."

Bei der Auswahl der Bewerber hat der Fahrpreis bislang keine Rolle gespielt. Viele hätten diesen allerdings in ihren Unterlagen angegeben. Beim nächsten Volksfest greifen die neuen Vergaberichtlinien, die seit Januar gelten. Erstmals gibt es ein Punktesystem. Ein Bewertungskriterium ist kundenfreundlicher Service. Dazu gehören "besonders günstige Fahrpreise und Rabattstaffelungen". Und eine Sache wird sich nur wegen dem Sling-Shot-Falls ändern: "Ich will vorher wissen, was es kostet und Preisänderungen werden nur nach Rücksprache mit der BMTG erlaubt sein. Das kommt in die Verträge", sagt Kempgens. Damit will er künftig "Taschenspielertricks" wie die des Österreichers unterbinden.

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