Ornithologie-Experten Zug von Vögeln kann mit Klimawandel zum Nachteil werden

Kraniche auf ihrem Weg Richtung Süden. Der Klimawandel erschwert Zugvögeln das Überwintern. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa Foto: dpa

Der richtige Ort zur richtigen Zeit - Zugvögel, die über weite Strecken ziehen, finden immer schwerer die besten Bedingungen für Brut, Rast und das Überwintern. Ein Grund sind die Veränderungen im Zuge des Klimawandels.

 
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Radolfzell - Oft in eindrucksvollen Formationen erheben sie sich in die Lüfte: Kraniche, Wildgänse und Störche sind auf dem Weg in ihre Winterquartiere.

Der Vogelzug sei Jahrtausende alt, erklärte Hans-Günther Bauer vom Max-Planck-Institut (MPI) für Ornithologie in Radolfzell am Bodensee. Auf die Veränderungen durch den Klimawandel könnten sich viele ziehende Arten kaum einstellen. Viele der Langstreckenzieher Richtung Afrika hätten ein ziemlich festgelegtes Programm, so Bauer. Auch wenn es im Norden im Winter deutlich wärmer bleiben würde, folgten sie ihrer genetisch bedingten Programmierung - die zwinge sie zum Ziehen.

Bei der Anpassung an den Klimawandel hätten Zugvögel eher einen Nachteil, sagte Lars Lachmann vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Sie seien auf passende Verhältnisse an mehreren Orten angewiesen: im Brutgebiet, an den Raststationen, im Durchzugsgebiet und im Winterquartier - und nicht immer passten die sich verändernden Verhältnisse zusammen.

"So müsste zum Beispiel ein Trauerschnäpper eigentlich früher nach Deutschland zurückkehren, um den Frühling nicht zu verpassen", erklärte Lachmann. Denn unter anderem konkurrierten daheimgebliebene Höhlenbrüter mit ihnen um die Plätze. "Das kann er aber vielleicht nicht, weil gleichzeitig die Regenzeit im afrikanischen Überwinterungsgebiet schwächer ausfällt und er sich nicht rechtzeitig die Energie für den Rückflug anfressen kann."

Kurzstreckenzieher hingegen, die nur bis zum Mittelmeerraum fliegen, seien genetisch weniger auf ihre Innere Uhr festgelegt, so Lachmann. "Sie merken, wenn das Wetter mild ist und können dann mit einer milden Luftströmung nach Deutschland zurückkehren." Ihnen falle es grundsätzlich leichter, sich an den Klimawandel anzupassen. "Das erstaunlichste Beispiel für eine tatsächlich beschleunigte Evolution stellt die Mönchsgrasmücke dar." Statt nach Spanien und Nordafrika ziehe ein Großteil der Vögel nun nach Großbritannien, wo es klimawandelbedingt mildere Winter gebe und viele Vogelfreunde, die die Tiere fütterten.

Im Frühjahr kehrten die Mönchsgrasmücken inzwischen früher nach Deutschland zurück. Wie Lachmann sagte, sind sie nicht die einzigen: "In nur etwa 50 Jahren hat sich die Rückkehr der verschiedenen Zugvögel zwischen null und 14 Tagen nach vorne geschoben." Dabei gebe es allerdings auch Grenzen, erklärte MPI-Ornithologe Bauer. "Beim Trauerschnäpper zum Beispiel hat man schon Untersuchungen gemacht, dass da die Grenze erreicht ist."

Vögel anderer Arten verkürzen die Wege: Weißstörche überwintern heute vielfach in Spanien, statt nach West- und Südwestafrika weiterzuziehen. Manche Art bleibt gleich ganz im Brutgebiet. Das birgt Risiken, wie Bauer sagte. "Dann reicht ein richtig kalter und schneereicher Winter, in dem die Nahrung nicht mehr auffindbar ist." Dagebliebene Tiere seien dann vielfach dem Tode geweiht - vor einigen Jahren sei es dem Zilpzalp so ergangen. "So stabil warm oder wärmer als früher sind unsere Winter halt doch nicht."

Aktuell nähmen die Bestände von Langstreckenziehern stärker ab als die von Standvögeln und Kurzstreckenziehern. Der Klimawandel ist laut Bauer dabei aber nicht der einzige Faktor. Der Landschaftsraum habe sich dramatisch verändert, für die Vögel sei es zunehmend schwieriger, in den von industrialisierter Landwirtschaft geprägten Regionen über den Winter zu kommen.

Einst hätten zum Beispiel sogenannte Stoppelbrachen in Deutschland Versteckmöglichkeiten geboten. "Früher hat man im Winter nicht neu eingesät, sondern hat es stehen lassen und erst im Frühjahr angesät." Angesichts kahler Felder müssten Vögel mancher Arten nun weiterziehen und versuchen, irgendwo noch Stoppelfelder zu finden, so Bauer. Nicht immer gelinge das, denn in anderen Ländern Westeuropas sehe es im Hinblick auf die Landschaften ganz ähnlich aus. "Für Zugvögel wird es zunehmend enger."

"Im Moment wirkt sich der Landnutzungswandel noch stärker auf Vogelpopulationen in Deutschland als der Klimawandel", sagte Johannes Kamp vom Dachverband Deutscher Avifaunisten (DAA). "Dies könnte sich mit einer Verstärkung des Klimawandels bald ändern." Wird es in Afrika wärmer, "werden sich Wüstengebiete ausdehnen, die Vögel hätten im Frühjahr weniger "Tankstellen" auf ihrem Flug nach Norden zur Verfügung." Auch die Wege zwischen Brutgebiet und Winterquartier würden länger - wie gut sich die Vögel an längere Distanzen anpassen könnten, sei bisher kaum untersucht.

"Wir können aber auch erfolgreich sein beim Schutz mancher Vogelarten", betonte Bauer vom MPI. Das falle bei Großvögeln wie Storch und Kranich auf. "Die nehmen zu. Weil wir sie besonders schützen." Die meisten Großvögel würden kaum noch bejagt. Anders sieht das laut Kamp vom DDA etwa bei den Turteltauben aus, deren Bestand extrem stark abnehme - von denen aber immer noch eine Million im Jahr auf dem Zug abgeschossen würden.

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