Online-Parteitag CDU vor Richtungsentscheid - Laschet, Merz, Röttgen

Von Jörg Blank, Marco Hadem und Ulrich Steinkohl,

Auf einem historischen Online-Parteitag will die CDU ihre fast einjährige Hängepartie in der Führungsfrage beenden. Doch es geht um viel mehr. Und dann ist da noch ein besonderer Wunsch der Kanzlerin.

 
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Berlin - Es wirkt wie ein unscheinbarer Satz, den Angela Merkel ihrer Partei da in ihrem Grußwort auf dem digitalen CDU-Parteitag mit auf den Weg gibt. Doch für manche hat er Signalwirkung. «Ich wünsche mir, dass ein Team gewählt wird, das die Geschicke unserer stolzen Volkspartei in die Hand nimmt und dann gemeinsam mit allen Mitgliedern die richtigen Antworten für die Aufgaben der Zukunft findet», sagt die Kanzlerin am Freitag mit Blick auf die mit Spannung erwartete Neuwahl des CDU-Chefs an diesem Samstag.

Danach dauert es nur Sekunden und Merkels Wunsch schlägt hohe Wellen in den sozialen Netzwerken. Manche werten die Bemerkungen der Kanzlerin als indirekte Aufforderung an die 1001 Delegierten, doch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet zum Nachfolger der Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer zu wählen.

Nur Laschet tritt bei der Vorsitzendenwahl im Team an, zusammen mit Jens Spahn. Laschet hat versprochen, den Gesundheitsminister als stellvertretenden Vorsitzenden vorzuschlagen, sollte er gewinnen. Die beiden anderen Bewerber, Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz und der Außenpolitiker Norbert Röttgen, haben zwar auch Unterstützer-Teams, aber zur Wahl treten sie nur als Solobewerber an.

In den vergangenen Monaten hat sich Merkel auf unzählige Fragen nach ihrem Favoriten für den Parteivorsitz auf die Zunge gebissen und nichts gesagt. Hat die Kanzlerin also die ihr selbst auferlegte Zurückhaltung für einen Moment vergessen? Gar absichtlich? Beantworten lässt sich dies nicht. Denn natürlich kann man ihren Satz auch einfach so verstehen, dass sie sich für Geschlossenheit ausspricht und für ein Team aus neuem Vorsitzenden, Vize-Parteichefs und dem gesamten Vorstand.

Doch die Diskussionen über Merkels «Wunsch» zeigen deutlich, wie nervös die Stimmung in der CDU ist. Nicht nur, weil sie die wichtige Personalfrage auf einem der ungewöhnlichsten Parteitage ihrer Geschichte klären muss. Erstmals überhaupt findet in Deutschland ein Wahlparteitag rein digital statt. Und mehr noch: Die Delegierten stellen mitten in der Corona-Krise die Weichen für die Zeit nach der Ära Merkel und für Erfolg oder Misserfolg bei der Bundestagswahl.

Apropos Corona: Das Virus ist es, das die CDU zwingt, als erste Partei überhaupt in Deutschland per Online-Parteitag über den neuen Vorsitzenden zu entscheiden. Das birgt nicht nur technische Risiken. Auch die Kandidaten setzt das unter besonderen Druck. Direkt neben dem wegen der Pandemie aufgebauten Behelfskrankenhaus auf dem Berliner Messegelände liegt im sogenannten «Hub 27» das Studio, von dem aus die CDU-Spitze den Parteitag in Büros und Wohnzimmer der Delegierten bringen muss.

Am Samstag haben die Kandidaten dann je 15 Minuten Zeit, in ihren Vorstellungsreden für sich zu werben. Dazu können sie nur in eine Kamera sprechen - doch ob sie die Herzen der Delegierten treffen, können sie nicht spüren. Kommt ein Gag an, oder wirkt er peinlich? Trifft man den Ton, oder verschreckt man selbst seine Anhänger? Kein Applaus wird zu hören, keine Stimmung zu erfühlen sein. Es gibt kein Echo aus den Tiefen einer Parteitagshalle. Es dürfte still und steril zugehen, wie in einem Fernsehstudio eben.

Selbst für den besten Redner ist es da anspruchsvoll, den Spannungsbogen zu halten. Ziemlich sicher, dass die Kandidaten für die besondere Lage trainieren. Und dann die Delegierten: Sitzt die Familie oder der Nachbar mit auf der Couch, wenn sie in der «digitalen Wahlkabine» über den CDU-Vorsitz abstimmen? Überraschungen sind da nicht ausgeschlossen. Ein bemerkenswertes Experiment für eine ziemlich wichtige Entscheidung - so nennt einer in der CDU-Spitze das Online-Format unter Corona-Bedingungen.

Am Ende geht es um die zentrale Frage: Stellt sich die CDU mit Merz wieder konservativer auf? Oder bleibt sie mit Laschet grundsätzlich auf dem Mitte-Kurs von Merkel? Es hat etwas von einer Richtungsentscheidung, diese Abstimmung. Und immer irgendwie mit von der Partie ist der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Der CSU-Chef liegt beim Thema Kanzlerkandidatur in Umfragen bislang weit vor den drei Kandidaten für den CDU-Chefposten.

Der Parteitag hat aber noch eine andere Bedeutung: Er zieht einen Schlussstrich unter die nicht immer glückliche Amtszeit von Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Saarländerin geht in ihrer knapp 15-minütigen Rede dann auch sehr persönlich und emotional mit ihrer Entscheidung ins Gericht, den Parteivorsitz nach nur zwei Jahren wieder abzugeben.

«Dieser Schritt war schwer. Aber er war reiflich überlegt und er war richtig», sagt die Verteidigungsministerin, die bei den Danksagungen im Anschluss immer wieder gegen Tränen kämpfen muss. AKK gibt sich auch selbstkritisch: «Euren Erwartungen und meinen eigenen Ansprüchen nicht immer gerecht geworden zu sein, das schmerzt - auch heute noch», sagt sie zu ihren Unterstützern.

Noch etwas ist an diesem Abend bemerkenswert: Während der aus München zugeschaltete Söder Kramp-Karrenbauer ausdrücklich für ihre Arbeit als Parteichefin dankt, ist von Merkel derartiges nicht zu hören. Sie lobt lieber das gesamte Team, das den Parteitag organisiert hat. Noch gehört zu diesem Team auch die «liebe Annegret».

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