Ölschnitzufer Digitaler Kampf fürs Ratsbegehren

Peter Rauscher
Hier spricht die Stadtratsmehrheit: Zwölf Stadträte und Bürgermeister Jürgen Zinnert (mit Telefonhörer) warben in einem Livestream für das Ratsbegehren zum Ölschnitzufer. Foto: Peter Rauscher

So etwas hat man zumindest in der Kommunalpolitik noch nicht gesehen: Per Videostream will die Stadtratsmehrheit die Bürger von Bad Berneck für ihr Ratsbegehren zum Ölschnitzufer gewinnen.

 
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Bad Berneck -

Von Peter Rauscher

In einem Live-Stream haben die Stadtratsmehrheit und der Bürgermeister von Bad Berneck eindringlich um die Zustimmung der Bürger zum Ratsbegehren beim Bürgerentscheid über die Sanierung des Ölschnitzufers am 28. März geworben. Für das zumindest in der Region völlig neuartige Format, dem am Freitagabend rund 150 Zuschauer folgten, ernteten die Macher viel Lob.

Keine virtuelle Bürgerversammlung

In Zeiten der Pandemie, in denen es weder Wirtshausgespräche noch Bürgerversammlungen geben kann, hat es vor allem die Kommunalpolitik schwer, die Bürger zu erreichen. Medienunternehmer und Grünen-Stadtrat Finn Regenhold hatte deshalb die Veranstaltung auf Youtube für die Stadtratsmehrheit pro Ratsbegehren organisiert, der er selber angehört. Bürgermeister Jürgen Zinnert stellte zu Beginn des Livestreams klar, es handle sich weder um eine virtuelle Bürgerversammlung noch um eine Veranstaltung der Stadt. Eingeladen hätten vielmehr die zwölf Stadträte aus allen Fraktionen plus Bürgermeister, die das Ratsbegehren tragen. Man suche in diesem Format nicht die Debatte oder das Streitgespräch, sondern wolle überzeugen, dass die eigenen Argumente besser sind als die des Bürgerbegehrens, das gegen die Stadtratsmehrheit einen Erhalt der Natursteinmauer am linken Ölschnitzufer durchsetzen will.

Behauptungen zerpflückt

Den Hauptpart in der gut 60-minütigen Präsentation, in der technische Zusammenhänge mit vielen Fotos, Grafiken und Schaubildern erklärt wurde, hatte CSU-Stadtrat Christof Seidel als Baureferent zu bestreiten. Er erläuterte zunächst, wie es zu der jetzt vorliegenden Planung eines Ufers mit Betonsäulen und der gestalterischen Aufwertung durch Architekt Peter Haimerl gekommen war. Dann zerpflückte er zentrale Behauptungen der Initiatoren des Bürgerbegehrens:

Nur wenig Trockenmauer

Anders als behauptet sei die jetzige Ufermauer auf höchstens einem Viertel der Strecke eine Trockenmauer, sagte Seidel und zeigte als Beleg Bilder, auf denen zu sehen ist, dass das Bauwerk an vielen Stellen mit Mörtel, Beton und Sandstein geflickt ist. Seidel widersprach deutlich der Behauptung, eine Sanierung der Natursteinmauer sei behutsam durch lokal begrenzte Maßnahmen möglich. Die an mehreren Stellen unterspülte Mauer sei in einem miserablen Zustand. Es drohe eine Kettenreaktion mit teilweisem Einsturz der Ufermauer.

Alternative geprüft

Seidel widersprach außerdem der Behauptung, eine Alternative zum jetzigen Entwurf sei nie geprüft worden. Bereits 2011 sei bei der Vorprüfung ein möglicher Erhalt der Natursteinmauer als unwirtschaftlich ausgeschieden. 2015 habe die Regierung von Oberfranken nach einer möglichen Sanierbarkeit gefragt. Dafür bräuchte es nach den Erklärungen Seidels Bohrungen und aufwändige Rückverankerungen, die wegen der Kanäle im Uferweg und wegen der teils sehr nahe am Ufer stehenden Häuser mit ihren Fundamenten nicht möglich wären. Nicht nur das von der Stadt beauftragte Ingenieurbüro SRP würde dieses Verfahren bei einer Mauersanierung anwenden, sondern auch das Kulmbache Büro I-Plan, das den Weg vom Anger zum Schulweg plant. Dieses Verfahren sei nicht nur sehr teuer, sondern bei der Ölschnitzufersanierung auch nicht umsetzbar.

Das Kostenargument

Somit scheide der Erhalt der Natursteinmauer aus, schlussfolgerte Seidel. Ein Neubau als Schwerlastmauer wäre nach Seidels Einschätzung sehr aufwendig und teuer, ebenso die Verblendung von Beton mit Natursteinen. Die Kommunalaufsicht verlange aber eine wirtschaftliche Lösung. Städtebauförderung werde es für eine Natursteinmauer schon allein deshalb nicht geben, weil sie keine Verbesserung der Infrastruktur bringe. Bei der jetzt geplanten Lösung, deren Gesamtkosten auf rund zwölf Millionen Euro veranschlagt werden, stünden dagegen 80 Prozent für das technische Bauwerk in Aussicht, 90 Prozent für die gestalterische Aufwertung und bis zu 70 Prozent für Kanal und Wasserleitungen aus der RZWas.

„Bachbett wird grünen und blühen“

Zu der Kritik, die Neuplanung sei auf Kosten der Natur zu betonlastig, sagte Stadtrat Alexander Popp (Freie Wähler), das Bachbett der Ölschnitz bleibe bestehen und werde nicht aussehen wie die Betonrinne des Roten Mains in Bayreuth. „Es kann dort grünen und blühen.“ Mit der vorliegenden Planung bekomme Bad Berneck zu einem bezahlbaren Eigenanteil nicht nur das sicherheitstechnisch notwendige Bauwerk, sondern auch eine aufgewertete barrierefreie Uferpromenade mit vier neuen Brücken und erstmals zwei Zugängen zur Ölschnitz. Das werde Strahlkraft in die Stadt und weit über die Region hinaus entfalten.

Die Fördersituation sei derzeit noch „hervorragend“, sagte CSU-Stadtrat und Finanzreferent Hans Kreutzer. Das Projekt werde auch nicht dazu führen, dass die Stadt ihre anderen Pflichtaufgaben nicht mehr erfüllen könne.

Viel Lob im Livechat

Viele Fragen hatten die Stadträte danach noch zu beantworten: Was ist bei möglichen Schäden an Anliegergebäuden durch den Einsatz schwerer Baumaschinen, können Geschäftsinhaber an der Ölschnitz für den Baustellen-Umsatzausfall entschädigt werden, warum wurde das Bürgerbegehren überhaupt zugelassen, wenn die Natursteinmauer doch nicht erhalten werden kann? Im parallel laufenden Livechat ernteten die Macher des Streams viel Lob, es gab keine Kritik. Bürgermeister Zinnert sagte in seiner Bilanz, die Umsetzung der Planung sei aus seiner Sicht alternativlos und bat um Zustimmung zum Ratsbegehren.

Reaktion des Bürgerbegehrens

Auch Jörg Schröder, Mitinitiator des Bürgerbegehrens Natursteinmauer, nannte die Vorstellung gegenüber dem Kurier in einer ersten Reaktion „beeindruckend“. Allerdings „beurteilen wir einiges völlig anders“. So zweifle man die angegebene Bauzeit von zwei Jahren und die Baukosten an. Die Natursteinmauer gebe es bereits seit 120 Jahren, für die Betonmauer würden nur 50 Jahre prognostiziert. Zudem bestünden Zweifel über die Machbarkeit von 1000 Bohrungen für Betonpfähle von 75 Zentimetern Durchmesser.

Info: Der komplette Videostream ist weiterhin zu sehen hier: m.youtube.com/watch?v=BLvmg_LcyhE

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