Oberfrankens Unternehmen Reger Warenaustausch mit dem Baltikum

Von Roland Töpfer
Die Altstadt von Riga. Foto: Riga2014 Quelle: Unbekannt

RIGA. Wenn man vom Flughafen die knappe halbe Stunde in die historische Altstadt von Riga – seit 1997 Unesco-Weltkulturerbe – fährt, fallen zunächst zwei Dinge auf: die schlechten Straßen und die vielen dicken BMWs. Riga, die Hauptstadt von Lettland und mit rund 700.000 Einwohnern größte Stadt im Baltikum, ist aus vielen Perspektiven eine moderne europäische Großstadt geworden.

 
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Doch bei einem Durchschnittslohn von rund tausend Euro und mageren Renten von 200, 300 oder auch mal 400 Euro sind deutsche Premiumautos für die Allermeisten unerreichbar. Aber Reiche gibt es eben überall, wenngleich das kleine Lettland mit seinen knapp zwei Millionen Einwohnern kämpfen muss, um sich auf den internationalen Märkten zu behaupten.

Von den EU-Sanktionen gegen Russland sind die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen mit ihren traditionell guten Handelsbeziehungen Richtung Moskau besonders betroffen. In Lettland (knapp zwei Millionen Einwohner) rechnet man für dieses Jahr trotzdem noch mit einem Wachstum der Wirtschaftsleistung von 2,8 Prozent auf rund 30 Milliarden Euro. Das ist aber immer noch weniger, als Oberfranken mit seinen rund eine Million Einwohnern erwirtschaftet. 

Bei der IHK für Oberfranken sind aktuell 35 Unternehmen registriert, die Handelsbeziehungen mit Estland haben, mit Lettland sind es 38 und mit Litauen 45, sagt Sara Franke, Leiterin International der IHK in Bayreuth auf Nachfrage unserer Zeitung. Exportiert werden vor allem Maschinen, elektrische Ausrüstungen, Nahrungsmittel und Kunststoffwaren. 

Bayerische Unternehmen exportierten 2018 Produkte im Wert von 777 Millionen Euro ins Baltikum, der Import lag bei 451 Millionen Euro. 47 Prozent der Exporte entfallen auf Litauen, 35 Prozent auf Estland und 27 Prozent auf Lettland. 

Wichtige Holzwirtschaft

Von 2008 auf 2009, dem Jahr der Finanz- und Wirtschaftskrise, brach der bayerische Export ins Baltikum um 56 Prozent ein, so Franke. Bis 2018 sei das Exportniveau von 2008 noch nicht wieder erreicht worden, der Export lag knapp fünf Prozent unter dem Ergebnis von 2008. Die Importe hätten sich gegenüber 2008 aber fast verdoppelt. Beim Export liege das Baltikum auf Rang 38, beim Import auf Rang 47.

Zu über 50 Prozent besteht Lettland aus Wald, weshalb die Holzwirtschaft eine besondere Rolle spielt, sagt Liva Melbarzde, die Pressechefin der Deutsch-Baltischen Handelskammer in Riga, im Gespräch mit unserer Zeitung. Erst kürzlich seien Forstexperten aus Bayern in Lettland gewesen, um sich über die Digitalisierung dieser Branche zu informieren. Die baltischen Länder sind, was die Digitalisierung angeht, Deutschland oft voraus. Und so will auch Lettland künftig mehr IT-Dienstleistungen ins Ausland verkaufen.

Das Land übt sich im Spagat zwischen dem Verkauf von Rohstoffen (Holz, Torf, Sand, Kalkstein), landwirtschaftlichen Produkten (Fisch, Milch, Gemüse, Getreide) und neuer Technik (IT, Sensortechnik, Pharmaprodukte, Erneuerbare Energien), die mehr Wertschöpfung verspricht. 

Eine große Biertradition verbindet Lettland mit Bayern und Franken. Liva Melbarzde: „Es gibt in Lettland 59 Bierbrauereien, davon 55 kleine Brauereien.“ Das modern gewordene Craft Beer muss man also in Lettland nicht neu erfinden. Für den Ausbildungsbereich der Brauer sieht Melbarzde zwischen Baltikum und Bayern noch „gutes Entwicklungspotenzial“.

Schwieriges Verhältnis zu Moskau

Die Sowjetvergangenheit des kleinen EU-Staates ist vielerorts zu spüren. Kein Wunder: 25 Prozent der Bevölkerung sind Russen, 62 Prozent Letten. Der Rest entfällt auf Weißrussen, Ukrainer, Polen. Russisch oder Deutsch kann in der Schule als zweite Fremdsprache nach Englisch gewählt werden.

Das Verhältnis zu Moskau ist schwierig. Melbarzde: „Wir schauen mit ziemlich großer Angst Richtung Russland.“ 

Ins Zwielicht geraten sind schon seit längerer Zeit die lettischen Banken, nachdem bekannt wurde, dass bei einem der größten Geldwäschefälle der Geschichte 22 Milliarden Dollar aus Russland über Banken in Lettland und Moldau ins Ausland verschoben worden sein sollen.

Eine zentrale Figur der Gruppe soll ein leitender Manager der lettischen Bank Trasta Komercbanka (TKB) gewesen sein, die 2016 wegen langjähriger krimineller Geschäfte von der Bankenaufsicht in Riga abgewickelt worden war. Das Geld kam von Moldau über Lettland in die EU, wo Immobilien, Luxusgüter und andere Güter gekauft wurden.

Der Ruf der lettischen Banken hat stark gelitten. Mit hoher Priorität würden sie daran arbeiten, ihren guten Ruf zurückzubekommen, gibt sich Liva Melbarzde überzeugt.

Und die drei baltischen Staaten, wie arbeiten die zusammen? Ja, man wolle schon als eine Region wahrgenommen werden. „Aber es funktioniert oft nicht.“