"Wenn eine V-Person, die als einzige Quelle auf die Gefahr von Anis Amri aufmerksam gemacht hat, mundtot gemacht werden sollte und das auch vom Innenminister ausgegangen sein soll, wäre das ein erschütternder Skandal", erklärte der FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss, Benjamin Strasser. Eine Befragung von Ex-Innenminister de Maizière zu dem Vorfall sei nun unausweichlich geworden.
"Die Verhinderung von Terroranschlägen scheint dem BKA weniger wichtig gewesen zu sein als die Ausschaltung einer bis dato perfekt informierten Quelle", kritisierte Martina Renner (Linke). Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic sagte: "Es steht im Raum, dass hier von höchster Stelle gezielt Einfluss darauf genommen wurde, die Ermittlungen gegen Anis Amri zu torpedieren."
Polizeibeamte aus Nordrhein-Westfalen hatten nach Angaben des Zeugen in den Monaten vor dem Anschlag mehrfach Druck in Berlin gemacht, wo Amri ihrer Ansicht nach damals nur "relativ nachlässig" überwacht wurde. Eine weitere Beamtin des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes, die ebenfalls als Zeugin vernommen wurde, sagte, dass sie Amri "durchaus als gefährlich eingeschätzt habe und als unberechenbar". Sie sei angesichts seiner radikalen Äußerungen und seines raschen Eintauchens in die deutsche Salafisten-Szene der Überzeugung gewesen, "man muss da ein Auge drauf haben". Als sie später erfahren habe, dass Amri in Berlin nicht mehr so engmaschig beobachtet wurde, sei bei ihr ein "ungutes Gefühl" entstanden.
Amri hatte nach seiner Einreise 2015 zunächst in Nordrhein-Westfalen gelebt. In Hildesheim knüpfte er Kontakte zu dem Kreis um den Hassprediger Abu Walaa, der nach Einschätzung der Behörden damals als Statthalter der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Deutschland agierte und junge Salafisten ermunterte, in das IS-Gebiet auszureisen. Im März 2016 verlegte Amri seinen Lebensmittelpunkt nach Berlin.
Der Informant, der das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt auf die Gefährlichkeit Amris aufmerksam machte, trug auch zu den Ermittlungen über die Abu-Walaa-Gruppe bei, die sich inzwischen in Celle vor Gericht verantworten muss.
Als er von dem Anschlag gehört habe, sei sein erster Gedanke gewesen, "das, was alle meine Kollegen gedacht haben, lass es nicht Amri sein", sagte der Zeuge aus Nordrhein-Westfalen. Amri habe eine "Privataudienz" bei Abu Walaa gehabt und sei jemand gewesen, "dem ich einen Anschlag jederzeit zugetraut hätte".