Neuroradiologie Neue Behandlungsmethode bei Schlaganfall

Im Fall der Fälle ist oft jede Minute entscheidend. Eine noch relativ junge Art der Behandlung gibt es jetzt am Klinikum Kulmbach. Das ist einer von nur 32 Standorten in Bayern.

 
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Das Operationsfeld wird den behandelnden Ärzten auf großen Monitoren angezeigt. Foto: Klinikum

Der Freistaat Bayern nimmt Kulmbach in die Riege von nur 32 anerkannten Thrombektomie-Standorten auf. Diese noch recht neue Form der Therapie macht vielen vor allem von schweren Schlaganfällen Betroffenen Aussicht auf ein weiteres selbstbestimmtes Leben. Personelle Aufrüstung und siebenstellige Investitionen waren dafür nötig. Professor Dr. Gernot Schulte-Altedorneburg, Leitender Arzt im Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie, ist ein ausgewiesener Fachmann für diese Art der Behandlung. Unterstützt wird er von Juli an durch Professor Dr. Ulf Neuberger, der von der Heidelberger Uniklinik nach Kulmbach wechselt und als Neuroradiologe ebenfalls über große Erfahrungen in diesem Bereich verfügt. Dritter im Bunde und als Leitender Arzt der Neurologie sowie der Stroke-Unit ist Dr. Christian Konhäuser. Er freut sich, dass es nun mit Schulte-Altedorneburg und seinem neuen Kollegen Neuberger weiterhin und mit staatlicher Anerkennung die Möglichkeit gibt, Thrombektomien durchzuführen.

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Dabei wird ein Blutgerinnsel (Thrombus), das im Gehirn ein Blutgefäß verstopft hat, mit Hilfe eines Katheters entfernt. Die in Deutschland erst seit wenigen Jahren zugelassene Therapie könne, wenn die Voraussetzungen beim Patienten stimmen, zu einer erheblichen Verbesserung des Behandlungserfolgs führen.

Bereits seit einiger Zeit sei diese Behandlung in Kulmbach etabliert. „Nun wurde uns vom Freistaat bescheinigt, dass wir das auch mit der erforderlichen Qualität durchführen“, freut sich Konhäuser und zeigt sich erfreut darüber, dass es nun neben der Lyse (Auflösung des Thrombus durch ein Medikament) als Standardtherapie auch noch die Thrombektomie gibt. Durch die Leiste werde ein Katheter bis ins Gehirn geschoben, der Thrombus könne dann herausgezogen werden. Die Behandlung in Kulmbach sei, wenn diese Behandlung für den Patienten geeignet ist, ein sehr großer Zeitgewinn, macht Konhäuser deutlich und erinnert an den Leitsatz, der bei Schlaganfällen grundsätzlich gilt: „Time ist Brain“, übersetzt Zeit ist Hirn. Durch Verlegungen der Patienten werde nun keine wertvolle Zeit mehr verbraucht. „Das ist ein erheblicher Vorteil für die Versorgung von Schlaganfallpatienten am Standort Kulmbach.“ Rund 500 Männer und Frauen sind, wie Konhäuser berichtet, im vergangenen Jahr wegen eines Schlaganfalls im Klinikum behandelt worden. Etwa zehn Prozent von ihnen können laut Konhäuser von der Thrombektomie profitieren.

Für Menschen, die einen ganz schweren Schlaganfall erlitten haben, sei die Thrombektomie immer mehr das Mittel der Wahl, macht Gernot Schulte-Altedorneburg deutlich. Vor allem wenn es sich um eine Blockade eines großen Blutgefäßes handle, sei die Behandlung durch eine medikamentöse Auflösung des Blutgerinnsels nur schwer oder nicht möglich. „Mit dem Katheter können wir das gesamte Gerinnsel aus der verschlossenen Gehirn-Arterie herausziehen oder heraussaugen.“ Das könne über Leben und Tod entscheiden und auch im Überlebensfall die Folgen deutlich minimieren. Dass die Behandlung jetzt in Kulmbach möglich ist, spare den Betroffenen eine Stunde Zeit, die sonst zum Beispiel durch die Verlegung nach Erlangen benötigt würde. „Schon das Ein- und Ausladen des Patienten verschlechtert seine Prognose. Deswegen ist es gut, wohnortnahe Versorgung zu haben.“

Für diese Behandlung allerdings werde viel Expertise benötigt. „Deswegen ist das nicht überall zulässig. Hier bei uns in der Region wird die Zulassung für Kulmbach die Situation dieser besonders schwer betroffenen Patienten deutlich verbessern“, erläutert Schulte-Altedorneburg. Der Facharzt für Neuroradiologie wendet die Thrombektomie bereits seit 2006 an. „Ich hatte das Glück, dass ich dabei war, als diese Art der Therapie zunächst als experimentelle Therapie ihre Anfänge genommen hat.“ Die Indikation gehe immer weiter. Wir gehen in immer kleinere Arterien und behandeln auch Fälle, die wir vor zehn Jahren nicht behandelt hätten.“

1,5 Millionen Euro investiert

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Dank der Thrombektomie können viel mehr Schlaganfallpatienten wieder in ein selbstständiges Leben zurückkehren, weiß Schulte-Altedorneburg. Patienten, die sonst wahrscheinlich auf Pflege angewiesen wären, können sich selbst versorgen. Manche können sogar wieder ins Arbeitsleben integriert werden. „Das ist unser Ziel. Es zu schaffen, Patienten möglichst unabhängig wieder ins Leben zu entlassen.“ Dass mit Professor Neuberger aus Heidelberg nun noch ein zweiter Facharzt nach Kulmbach kommt, sei ein weiterer wichtiger Schritt. „Wir sind dabei, auch noch mindestens einen dritten Kollegen einzuarbeiten.“

Geschäftsführerin Brigitte Angermann erklärt die wichtigsten Voraussetzungen für diese Zulassung. Rund um die Uhr muss im Notfall ein Neuroradiologe dienstbereit sein. Bei der technischen Ausstattung ist unter anderem eine sogenannte biplanare Angiographie-Anlage angeschafft worden. Allein diese Investition habe rund 1,5 Millionen Euro gekostet. „Wir wollen eine umfassende Schlaganfallversorgung in der Region anbieten und sind überzeugt, dass es wichtig ist, nun einen weiteren Standort für Thrombektomie in Oberfranken zu haben.“

Dass es Kulmbach geschafft hat, diese Zulassung zu erhalten, sieht Landrat Klaus Söllner als ganz großen Fortschritt an. „Das ist etwas Außergewöhnliches und ein deutlicher Fortschritt in der Schlaganfallversorgung.“ Kulmbach habe, um den betroffenen Menschen effektiv helfen zu können, schon 2012 seine Stroke-Unit in Betrieb genommen und damit viel Gutes bewirken können. „Das wir nun die Zulassung als Thrombektomie-Standort bekommen haben, hebt uns natürlich in eine vollkommen neue Dimension. Das freut mich für alle Patienten, die davon profitieren können.“