Weltweit sind rund zwei Millionen Arten gefährdet und damit doppelt so viele wie in der jüngsten globalen Bestandsaufnahme des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) 2019 angenommen.
Zehntausende Tier- und Pflanzenarten gelten laut der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als bedroht. Eine neue Studie zeigt: Das weltweite Artensterben ist noch dramatischer und größer als bisher angenommen.
Weltweit sind rund zwei Millionen Arten gefährdet und damit doppelt so viele wie in der jüngsten globalen Bestandsaufnahme des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) 2019 angenommen.
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Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie, die im Fachmagazin „PLOS One“ veröffentlicht wurde. In Europa ist der Studie zufolge ein Fünftel aller daraufhin untersuchten Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht.
Die Forscher hatten alle 14 669 Tier- und Pflanzenarten in die Studie aufgenommen, die Ende 2020 auf der Roten Liste für Europa standen. Das sind zehn Prozent der Arten des Kontinents. Auf diese Liste stellt die Weltnaturschutzunion (IUCN) Arten, deren Bestand analysiert ist. Sehr viele sind nicht oder gering gefährdet, andere aber vom Aussterben bedroht oder gar schon ausgestorben.
Das Team um Erstautor Axel Hochkirch vom Nationalmuseum für Naturgeschichte Luxemburg und der Universität Trier analysierte Wirbeltierarten Europas sowie wichtige wirbellose Tiergruppen wie Schmetterlinge und Bienen und verschiedene Pflanzenarten.
2839 der 14 669 von dem Team untersuchten Arten, insgesamt fast 20 Prozent, sind in Europa demnach vom Aussterben bedroht. 125 Tier- und Pflanzenarten gelten bereits jetzt als ausgestorben, regional ausgestorben oder möglicherweise ausgestorben.
Andere Experten halten die aktuellen Daten für äußerst relevant und glaubwürdig. So erklärt Matthias Glaubrecht, Professor für Biodiversität an der Universität Hamburg: „Die neue Studie zeigt erheblich schärfer und umfassender als zuvor, dass deutlich mehr Arten vom Aussterben bedroht sind.“
Mit neuen Datensätzen errechnete das Team auch die Anzahl der weltweit vom Aussterben bedrohten Tier-, Pflanzen- und Pilzarten: Mit zwei Millionen ist die Zahl doppelt so hoch wie im jüngsten IPBES-Bericht aus dem Jahr 2019. Die Verdopplung innerhalb weniger Jahre lasse sich mit neuen und genaueren Informationen begründen, erklärt Josef Settele, Mitautor dieses IPBES-Berichts.
Die Ursachen für das Artensterben sind vielfältig, als größte Bedrohung sieht das Team die intensive wirtschaftliche Nutzung von Landflächen und Meeren, die zum Verlust von Lebensräumen führt.
Doch die Forscher sehen auch Grund zur Hoffnung: Neuansiedlungen von Tierarten und ein besonderer Schutz können helfen, die Artenvielfalt zu erhalten. „Wichtig ist es, Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Arten einzuleiten. Diese zeigten bei Wirbeltieren ja schon viel Erfolg, was die Ausbreitung früher gefährdeter Arten, wie Schwarzstorch, Seeadler, Wanderfalke, Uhu und Fischotter beweist“, betont Hochkirch.
Artensterben
Während die Welt der Tiere schrumpft, expandiert die der Menschheit. Die Zahl der Menschen hat sich seit 1960 auf 7,7 Milliarden verdoppelt. In den zurückliegenden Erdzeitaltern gab es fünf große Massensterben. Derzeit erlebe der Planet durch das Einwirken des Menschen seine sechste „Massenauslöschungsperioden“, warnen die Forscher (hierzu auch das Buch der US-Wissenschaftsjournalistin und Pulitzer-Preisträgerin Elizabeth Kolbert „The Sixth Extinction“ – „Das sechste Sterben – Wie der Mensch Naturgeschichte schreibt“, Berlin 2015)
Mensch und Umwelt
Doch es gibt einen Unterschied: In der Urzeit hatte das Aussterben natürliche Ursachen – Einschläge von Asteoriden- und Meteoriten, Klimawandel, Vulkanismus, verdunstende Meere. Heute ist es der Mensch, der versucht Evolution zu spielen und damit sein eigenes Überleben riskiert. Durch Intensiv-Landwirtschaft, Brandrodung, Umweltverschmutzung und Überfischung raubt er immer mehr Tieren und Pflanzen ihren Lebensraum. An jeder bedrohten Art hängen weitere, die für das Überleben als Nahrung oder Symbiose-Partner unentbehrlich sind.
Eskalierender Prozess
Wenn eine bestimmte Tier- oder Pflanzenart ausstirbt, hat dies Folgen für andere Arten. Beispiel: die Gopher-Schildkröte. Sie gräbt Löcher, die von mehr als 350 anderen Arten als Verstecke, Brutplätze oder Ausweichort bei extremen Temperaturen genutzt werden. Die Folge: Stirbt die Schildkröte aus, gefährdet dies auch andere Arten. Der Bericht warnt zudem: Wenn ein Ökosystem mehrere besonders stark vernetzte Arten verliert, kollabiert es schließlich.