Naturwaldkonzept Ein Hotspot der Artenvielfalt

Rosi Thiem
Stellvertretende Forstbetriebsleiterin Ruth Dirsch und Forstdirektor Matthias Huttner schwärmen vom neuen Naturwaldkonzept (oben). Foto: Rosi Thiem

Zehn Prozent der bayerischen Staatswälder sollen zu naturnahen Urwäldern werden. Auch am Hollenberg im Forstbetrieb Pegnitz gibt es eine solche Fläche.

 
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Von Rosi Thiem

Schon jetzt hat der Wald rund um den Schlossberg der Burgruine Hollenberg ein besonderes Flair. Bizarre Wurzeln schlängeln sich am Weg hoch zur bekannten Ruine. Ulmen, Birken und Mehlbeere stehen neben mächtigen Buchen, die deutlich über 200 Jahre alt sind, dazu Kiefern und Eiben. Rund 15 verschiedenen Baumarten findet Forstdirektor Matthias Huttner vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Bayreuth-Münchberg ohne Mühe.

„6,1 Hektar rund um den Schlossberg gehören nun zu den Naturwaldflächen, die für die Zukunft unberührt bleiben“, sagt Huttner und zeigt von der Anhöhe aus in das weitläufige Tal. Die Ruine selbst ist ausgenommen. „Der Freistaat Bayern hat sich durch den neu gefassten Artikel 12a, Absatz 2 des Bayerischen Waldgesetzes verpflichtet, auf zehn Prozent der Staatswaldflächen, das sind, um die 80.000 Hektar, bis zum Jahr 2023 ein grünes Netzwerk einzurichten, das aus naturnahen Wäldern mit besonderer Bedeutung für die Biodiversität steht. Dieses Ziel der Naturwälder ist jetzt schon erreicht“, ist er stolz.

Entwicklungsflächen

„In den gekennzeichneten Wäldern, wie hier“, bemerkt Ruth Dirsch, die stellvertretende Pegnitzer Forstbetriebsleiterin, „bleibt das Holz im Wald. Der Naturwald ist hier eine Entwicklungsfläche.“ In den nächsten Jahrzehnten werde sich genau da und an den anderen festgelegten Standorten der Naturwaldflächen die Umgebung verändern. „Es dürfen keine Arten mehr verloren gehen“, sind sich beide Forstfachleute einig. Es wird kein Nutz- oder Brennholz entnommen.

„Damit die wunderschöne Sicht bleibt, werden aber Äste zurückgeschnitten“, sagt Ruth Dirsch. Selbst diese Äste bleiben dann im Wald, können natürlich verrotten und möglicherweise zu neuem Lebensraum für andere Tiere und Pflanzen werden.

Holz bleibt im Wald

Was passiert, wenn Fichten vom Borkenkäfer befallen werden? Werden diese entnommen? Dazu Dirsch: „Um die angrenzenden Bestände zu schützen, würde ein vom Borkenkäfer befallener Baum gefällt und entrindet werden. Das Holz bleibt im Wald.“ Natürlich würden diese Flächen auch in der Borkenkäfersaison ständig kontrolliert. „Wir haben hier eine bemerkenswerte biologische Vielfalt und setzen uns als Bayerische Staatsforsten in Gemeinschaftsarbeit und in Abstimmung mit dem AELF für ein nachhaltiges Wirtschaften und wie hier für die unberührt bleibenden Naturwälder ein“, so Dirsch.

Sonderstandorte

Der Umgriff in Hollenberg ist in der Gegend nicht die einzige Naturwaldfläche. „Wir haben auch andere Sonderstandorte, Moore, trockene Kuppen und Auwälder“, zählt Huttner auf. Beispiele seien der Eibenwald bei Gößweinstein, die Steilhänge nordöstlich von Pottenstein, das Fichtelmoor beim Fichtelsee, der Naturwald bei Vierzehnheiligen und die Knetzberge: „Biologische und ökologische Nachhaltigkeit heißt, es sollen möglichst alle Arten – auch besonders seltene – erhalten bleiben und eine ungestörte Entwicklungsmöglichkeit haben wie hier am Schlossberg.“ Der Mensch greife allenfalls zu den notwendigen Verkehrssicherungsmaßnahmen ein. Aber auch da verbleibe das Totholz auf der Fläche.

„Die neue gesetzliche Schutzkategorie Naturwälder wird ein Hotspot der Artenvielfalt, für die wir Verantwortung haben. Die Bayerischen Staatsforsten leben den bayerischen Weg des Schützens und Nutzens auf der gesamten Fläche des Staatswaldes. Dazu gehört insbesondere auch das Ziel, die biologische Vielfalt des Waldes zu erhalten und zu erreichen, so wie es der Landtag im Rahmen des Volksbegehrens Rettet die Bienen beschlossen hat“, sagt Huttner.

Schutzschirme

Aber auch im „normalen“ Staatswald gebe es immer wieder einzelne gezielte Maßnahmen und Schutzschirme, die die besonderen Biotope und Waldjuwelen schützen und beobachten. Dies könnten Flechten und Moose sein, Spechthöhlen, die Kalksinterterrassen im Lillachtal oder Fledermausherbergen. „Jeder Standort hat seine eigene Flora und seine Entwicklung in der Zerfallsphase“, betont Huttner.

Beobachtungen der wilden Entwicklungen gehören laut Huttner für den 18 500 Hektar großen Forstbetrieb Pegnitz, der im Norden bis zur Hohen Warte Bayreuth, im Osten bis zum Rauhen Kulm, im Westen bis Gößweinstein und im Süden bis zum Veldensteiner Forst geht, zum Tätigkeitsbereich. „Wir lernen hier, wie sich die ungestörte Natur entwickelt, wie sich Bäume bei Trockenheit oder wenn sie kein Licht haben verhalten.“ Wie sich die „wilde“ Natur tatsächlich auswirkt, werde sich in den nächsten Jahrzehnten zeigen. „Es ist schön, Reverenzflächen zu haben“, sagen beide. „Das muss man ganz langfristig sehen.“

Dabei müssen die Menschen nicht aus dem Naturwald verschwinden – ganz im Gegenteil, betonen die beiden. „Der Bürger ist nicht ausgesperrt. Für Erholungssuchende werden die Naturwälder mit Infotafeln aufbereitet und erlebbar gemacht. Hier in Hollenberg findet zum Beispiel am 8. Juli von 15 bis 17 Uhr eine geführte, öffentliche Wanderung mit dem Leiter der neuen Fachstelle für Waldnaturschutz Oberfranken, Klaus Stangl aus Scheßlitz statt. Jeder Naturfreund dazu herzlich eingeladen“, nennen sie ein Beispiel.

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