Nach Söder-Vorstoß Riesenärger um Lehrer-Abwerbung

Mit seiner Ankündigung, Lehrkräfte künftig in ganz Deutschland gewinnen zu wollen und so dem Lehrermangel im Freistaat zu begegnen, stößt Ministerpräsident Söder gleich drei Nachbarländer vor den Kopf.

 
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Eine Unterrichtsszene Foto: dpa/Marijan Murat

„Die Ankündigung ist unsolidarisch“: Via Twitter machte Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) seinem Ärger Luft. Denn Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte zum Ende der CSU-Klausur in Kloster Banz in Oberfranken angekündigt, dass der Freistaat künftig Lehrer aus anderen Bundesländern abwerben wolle. Piwarz wirft Söder vor, einen Überbietungswettbewerb zu starten, der allen Ländern schaden werde. „Wichtiger wäre, gemeinsame Maßnahmen zu intensivieren, um mehr junge Menschen für den Lehrerberuf zu begeistern“, so Piwarz. Der sächsische Kultusminister steht nicht allein da. Auch in Thüringen und Baden-Württemberg ist der Ärger groß.

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Mit seinem Vorhaben drohe Bayern eine Abwerbespirale in Gang zu setzen, „die keines der gemeinsamen Probleme löst“, sagte Thüringens Bildungsminister Helmut Holter Es scheine so, als wolle der südliche Nachbar damit den Konsens der sogenannten Stralsunder Erklärung der Kultusministerkonferenz verlassen. „Die Bekämpfung des deutschlandweiten Lehrermangels muss eine Gemeinschaftsaufgabe der Länder und des Bundes sein, und auch Bayern sollte sich daran beteiligen“, betonte der Linke-Politiker. Ähnlich äußerte sich Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) in der „Südwest Presse“: „Bisher war es Konsens in der Kultusministerkonferenz, dass wir einen fairen Wettbewerb haben und uns nicht gegenseitig die Lehrkräfte abspenstig machen oder große Abwerbungskampagnen fahren.“

Söder hatte zuvor angekündigt, dass Bayern auch Pädagogen aus anderen Ländern abwerben wolle, um den eigenen Bedarf an Lehrerinnen und Lehrern zu decken. Dazu werde Bayern nicht nur deutlich machen, dass Lehrer dort zum Teil deutlich besser bezahlt würden als in anderen Ländern. Zudem kündigte er an, ein Paket für Start- und Umzugshilfe für wechselwillige Lehrer auflegen zu wollen. Mit der sogenannten Stralsunder Erklärung aus dem Jahr 2009 hatten sich die Bundesländer eigentlich darauf geeinigt, auf das gegenseitige offensive Abwerben von Lehrkräften zu verzichten. Stattdessen solle es unter ihnen „eine vertrauensvolle Abstimmung vor allem bei der Rekrutierung von Lehrerinnen und Lehrern“ geben, die sich in einem „fairen Wettbewerb“ zeige.

Unterstützung für seinen Vorschlag erhält der Ministerpräsident vom Vorsitzenden des Ausschusses für Bildung und Kultus im bayerischen Landtag, Tobias Gotthardt, (Freie Wähler). Die Kritik des linken Kultusministers aus Thüringen und anderer Amtskollegen an dem Vorstoß irritiere sehr, teilt Gotthardt mit. Jenseits aller Absprachen würden viele Bundesländer in den grenzenlos abrufbaren sozialen Medien „teils massiv“ um Lehrkräfte für ihren Standort werben. „Allen voran Mecklenburg-Vorpommern seit 2014, aber auch Sachsen, NRW, Baden-Württemberg, Thüringen und andere.“ Bayern werde – anders als von Holter behauptet – auch nicht vorrangig mit seiner Bezahlung werben. Dem stünden teils deutlich höhere Lebenshaltungskosten im Freistaat entgegen.

Die Bildungsgewerkschaft GEW zeigte sich kaum verwundert über den bayerischen Vorstoß: „Die Ansage, Lehrerinnen und Lehrer aus anderen Bundesländern nach Bayern zu holen, werten wir als öffentliches Eingeständnis einer längst gelebten, aber bisher verleugneten Praxis“, sagte ein Sprecher des Thüringer Landesverbandes der Gewerkschaft. Es gebe längst einen Wettbewerb um neue Lehrer, den die reicheren Bundesländer gewinnen und die ärmeren verlieren würden. „Und zu Letzteren gehört leider auch Thüringen.“ Vor allem das angekündigte Start- und Umzugshilfepaket und die Aussicht, bei einer Lehrertätigkeit in Bayern in der Nähe des eigenen Wohnorts eingesetzt zu werden, könne manche Pädagogen aus Südthüringen überzeugen, in den Nachbarfreistaat zu gehen, sagte der Sprecher der GEW.