Nach Geburtstagsparty Pegnitzer greift helfende Polizisten an

Nicole Wrodarczyk

Ein Pegnitzer trinkt zuviel und kippt um. Doch anstatt sich helfen zu lassen, attackiert er seine Helfer. Dafür muss er viel Geld bezahlen.

 
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Im Bayreuther Amtsgericht musste sich der 47-Jährige verantworten. Bei der Verhandlung wurden auch die Bodycam-Aufnahmen der Polizisten gezeigt. Foto: Nicole Wrodarczyk/Red

Ein Mann, zu dem man ruhig Schrank sagen kann. Groß, kurz vor der Zwei-Meter-Grenze, riesige Schultern, Oberarme, die nur eines sagen: pure Kraft. Ein kahlrasierter Schädel, ein langer Bart. Und ein ganz ruhiger Mann. Der sanfte Riese wurde aber einmal zum ungebändigten Ungeheuer. Der 47-jährige Pegnitzer trat und beleidigte mit zwei Promille im Blut zwei Polizisten, die ihm eigentlich helfen wollten. 5000 Euro muss der Angestellte einer Metallfirma nun zahlen. Zudem gilt er als vorbestraft.

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Gehasst, verdammt, vergöttert, steht auf seiner Kapuzenjacke, ein Lied der Band Böhse Onkelz. Der 47-jährige Pegnitzer trägt sie bei seiner Verhandlung im Bayreuther Amtsgericht.

Verdammt ist er seit seiner Geburtstagsfeier im April. Es sollte gemütlich mit Freunden und Stieftochter werden. Doch dann schauen alle zu tief ins Glas. Der Angeklagte klappt zusammen und stürzt zu Boden - auf den Kopf. Seine Freunde machen sich Sorgen, denn er hat mit Versteifungen im Rücken zu kämpfen. Mit zwei Promille Alkohol im Blut kommt er ins Klinikum. Aber er will keine Behandlung, keine Blutabnahme, kein Krankenhausbett. Er will nur wieder nach Hause auf seine Party. Die Ärztin kann ihn nicht gehen lassen, zu hoch ist der Promillewert. Also haut der 47-Jährige gegen 22:30 Uhr ab.

Er könnte sich selbst in Gefahr bringen, deswegen ruft die Ärztin die Polizei. Zwei Beamte finden den Hünen auf der Straße. Sie sprechen ihn mehrmals an.

Sind Sie gerade aus der Klinik spaziert? Nein. Wir können sie zwingen mit uns zu gehen. Interessiert ihn nicht. Doch er sagt nur “Nein!” und läuft weiter. „Sein Blick war starr geradeaus”, sagt einer der Polizisten im Zeugenstand. Der Betrunkene habe ihn und seinen Kollegen als „Drecksbullen” bezeichnet. „Das habe ich nie gesagt.” Die Beamten halten ihn am Oberarm fest. Der 47-Jährige versucht, sich herauszuwinden. Die Polizisten packen die Handschellen aus. Er hält die Hand des Polizisten. Die Beamten bringen ihn zu Boden. Das ist der Moment, als der Riese Panik bekommt. Also schlägt er mit den Beinen aus. Er umschließt das linke Bein eines Polizisten und klemmt es ein. Trotzdem schafften es die Beamten ihn zu fesseln. Also schreit der Hüne sie an: “Fickos”, “Arschlöcher” und “blöde Wichser”. Die Bodycam der Polizisten filmt alles mit. Inzwischen ist der Rettungsdienst angekommen. Einer der Sanitäter versucht den Pegnitzer zu beruhigen. “Wir wollen dir bloß helfen“. “Bleiben Sie liegen. Hören Sie auf zu treten”, schreit einer der Polizisten. Der Angeklagte wehrt sich weiterhin: “Ihr Arschlöcher, ihr Wichser” und “ihr Fickos”. “Wir haben alles, was sie sagen auf Kamera”, sagt der Polizist. Er entschuldigt sich, als er den Hünen zurück auf den Boden drückt.

Die Polizisten bringen ihn zurück ins Krankenhaus. Die Aufnahmen der Bodycam zeigen, wie sich der 47-Jährige sogar noch im Krankenhausflur wehrt. Er tritt einen der Polizisten ans Schienbein.

Gegen 23 Uhr liegt der Angeklagte dann auf einer Krankenhaus-Liege und wird ins Zimmer gebracht. “Erst als er mit seiner Tochter telefoniert hatte, war er ruhiger”, sagt der Polizist im Zeugenstand. „Du bist unmöglich“, sagte die Stieftochter am Telefon.

Im Gerichtssaal entschuldigt sich der Angeklagte beim Polizisten. Er sagt, die Sache sei ausgeufert. “Machtgehaberei”, sagt er und meint damit auch die Beamten. Niemand sagte ihm, warum er über Nacht im Krankenhaus bleiben sollte. Die Rangelei täte ihm leid. “Diese wilden Zeiten sind bei mir vorbei”, sagt er. Er sei jetzt aktiv bei der Freiwilligen Feuerwehr. “Wenn etwas ist, halten Polizei und Feuerwehr zusammen.“ Er gehe regelmäßig Blut spenden. Er kümmere sich zu Hause um zwei Katzen. Und er habe sich nur gewehrt, weil er Angst um seinen Rücken hatte. Er wollte nur zurück nach Hause.

Und das mit seinem Rücken hat er nicht erfunden. Vor zwölf Jahren begann seine medizinische Talfahrt: Plötzlich fängt sein Körper an zu zittern. Der Hausarzt denkt, es liegt am Kreislauf. Die vielen Früh- und Spätschichten würden ihm zu schaffen machen. Dann “zwickt” es überall beim gelernten Maurer. Zuerst wird er am Rücken operiert, dann an der Schulter, am Knie, an der Brust. “Das sind die Sünden von früher”, sagt der Angeklagte. Schon mit 13 Jahren habe er angefangen, auf Baustellen zu arbeiten.

So etwas, schwört der Angeklagte, werde ihm nie wieder passieren. Dass er sich reuig zeigt und gesteht, komme ihm zu Gute, sagt der Staatsanwalt im Gericht. Doch der Tritt gegen den Polizisten und die Beleidigungen wiegen schwer. Für diesen Angriff gegen Vollzugsbeamte würde er eigentlich für eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Monaten plädieren. Doch wegen seines Geständnisses und weil er durch Alkohol enthemmt war, reiche eine Geldstrafe. Der Angeklagte betont, dass er voll zurechnungsfähig war und alles mitbekommen hatte. Auf den Bodycam-Aufnahmen mussten ihn die Polizisten durch die Krankenhausflure ziehen.

Zudem, sagt der Staatsanwalt, war die linke Hand des Angeklagten sehr fest gefesselt worden, sodass er dort heute noch ein Taubheitsgefühl spüre. Deswegen komme die Staatsanwaltschaft auf eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen von 60 Euro.

Richter Holger Gebhardt urteilt, erst der Sanitäter sei beim Angeklagten “durchgekommen”. Der Angeklagte habe es den Polizisten schwer gemacht. Doch wegen seiner persönlichen Umstände und weil die Beamten nicht verletzt wurden, reiche eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu 50 Euro. “Der Gesetzgeber ahndet Angriffe auf Vollzugsbeamte aus gutem Grund so hoch”, sagt Richter Gebhardt.