Nach drei Jahren Dürre Fluten verschärfen Hunger in Somalia

Johannes Dieterich
Wetterextreme aufgrund des Klimawandels: überflutete Straße in Somalia Foto: imago images/Xinhua

Heftige Niederschläge haben in dem von Dürre geplagten Somalia zu Überschwemmungen geführt. Acht Millionen Menschen benötigen Hilfe – vor allem Flüchtlinge leiden.

 
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An diese Redewendung müssen sich Afrikaner wohl gewöhnen: „Es regnet nie, es schüttet.“ Denn auf ihrem Kontinent führt die Klimaerwärmung zu immer kontrastreicheren Wetterextremen. Wie jetzt in Somalia, wo 17 Millionen Menschen drei Jahre lang vergebens auf Regen gewartet haben – und jetzt von Überflutungen heimgesucht werden.

In den vergangenen Tagen kam es in Teilen des völlig ausgetrockneten Landes zu heftigen Niederschlägen. Die Wolkenbrüche sollen Dutzenden von Menschen das Leben gekostet und Tausende von Familien um ihr Zuhause gebracht haben.

Cholera-Epidemie könnte sich verschlimmern

Die Niederschläge zu Beginn der Gu genannten Regensaison wirken sich besonders verheerend aus, weil die Böden nach fünf hintereinander ausgefallenen Regenzeiten steinhart sind und so gut wie keine Feuchtigkeit aufnehmen können. Im Zentrum des Landes sind ganze Regionen wegen der Überflutungen von der Außenwelt abgeschnitten, Telefonleitungen wurden zerstört, der Juba-Fluss ist über seine Ufer getreten. Die Wolkenbrüche machen vor allem den rund 1,5 Millionen Flüchtlingen zu schaffen, die wegen der Dürre ihre Heimat verließen und in aus Ästen und Plastikplanen errichteten Behausungen leben. Hilfsorganisationen befürchten auch eine Verschlimmerung der Choleraepidemie, in deren Verlauf sich seit Anfang dieses Jahres schon mehr als 2000 Menschen infiziert haben. Nur ein Drittel der somalischen Bevölkerung wird von der dürftigen Gesundheitsversorgung des Landes erreicht. Auch die Zahl der Masernfälle steigt an.

Stark erhöhte Sterberate

Nach einer Untersuchung der Londoner Schule für Hygiene und Tropenmedizin (LSHTM) starben in Somalia im vergangenen Jahr 43 000 Menschen mehr, als statistisch anzunehmen war. Bei der Hälfte habe es sich um Kleinkinder unter fünf Jahren gehandelt. Trotz dieser hohen Sterberate haben die Vereinten Nationen bislang keine Hungersnot in Somalia ausgerufen – dafür sind die formalen Kriterien nicht erfüllt. Von einer Hungersnot sprechen die UN dann, wenn 20 Prozent der Haushalte in einer Region unter extremer Nahrungsmittelknappheit leidet, 30 Prozent der Kinder akut mangelernährt sind und täglich zwei Erwachsene oder vier Kinder unter 10 000 Menschen an den Folgen von Unterernährung sterben. Trotz des jetzt eingetretenen Gu-Regens ist die Gefahr einer Hungersnot in Somalia nicht gebannt: Auch in der ersten Hälfte dieses Jahres müsse mit bis zu 34 000 zusätzlichen Toten gerechnet werden, teilten die LSHTM-Experten mit. Nach wie vor sind mehr als acht Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen.

Krise auch wegen Krieg in der Ukraine

Fachleuten zufolge wurde die durch ein außergewöhnlich langes Anhalten des Wetterphänomens La Niña (einer Abkühlung des Pazifischen Ozeans) ausgelöste Krise am Horn von Afrika noch durch zwei andere Faktoren verschlimmert. Einerseits durch die russische Invasion in die Ukraine, die den Export von Nahrungsmitteln aus Osteuropa – vor allem Weizen und Pflanzenöl – unterbrach und die Preise auf historisch einzigartige Höhen trieb. Hinzu kam die prekäre Sicherheitslage: In Somalia ist seit mehr als 15 Jahren die Al-Schabaab genannte Extremistengruppe aktiv ist. Die Islamisten greifen regelmäßig sowohl Hilfstransporte als auch Mitglieder von Hilfsorganisationen an.

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