Aber noch andere Indizien deuteten auf S.: Die im Wald bei Rodacherbrunn gefunden Spuren können nicht wirklich das Geschehen aufklären. Wie Peggy zu Tode kam, lässt sich aus den sterblichen Überresten nicht mehr herausfinden. Salopp gesagt, gibt es keine Hinweise auf die Todesart. Auch die Farbreste, die gefunden wurden, stammen zwar alle aus einem Haus – S. renovierte zu der Zeit gerade sein Haus. Außerdem wurde ein Stück Plastikverpackung gefunden, die auf eine Torf-Verpackung hindeuten. S. pflanzte Blumen um. Ebenso Reste einer Plane, wie sie Landwirte verwenden. S. bezeichnete sich als Hobbylandwirt. Die Pollen-Spuren waren in den Nasennebenhöhlen des Mädchens – ein Hinweis darauf, dass sie die Pollen zwar eingeatmet hat, aber nicht mehr ausatmen konnte. Ein zweites Indiz. Peggy atmete also noch, als sie mit einem Gegenstand in Berührung kam, auf dem Torf war.
Unter Tränen
Dieser Gegenstand war auf einer wiederhergestellten Tonbandaufnahme aus dem Jahr 2002 erwähnt. Es handelt sich um ein inniges Vater-Sohn-Gespräch zwischen Ulvi K. und seinem Vater. Ulvi K. hatte ihn beschuldigt, die Leiche verbracht zu haben, weswegen er im Gefängnis landete. Dort schnitten die Ermittler ein Gespräch zwischen den beiden heimlich mit. 47 Minuten, in denen Ulvi K. beschreibt, wie er Peggy erstickt hat. 47 Minuten, in denen er versucht seinen Vater davon zu überzeugen, dass Manuel S. dabei war und danach die Leiche in seinem Auto weggeschafft hat. Teils unter Tränen beschwört Ulvi K. seinen Vater, der es nicht glauben will, dass Manuel S. dabei war. „Glaub mir, der Manuel war dabei". Schon in den Akten von 2002 steht, wie er und Manuel S. auf Peggy gewartet haben wollen, ihr gefolgt seien. Es soll zum Streit gekommen sein, zu körperlicher Gewalt gegen das Kind. Sie fiel wohl hin, der Mund wurde ihr zugehalten, sie erstickt. Seit der Tonbandaufnahme sind sich die Ermittler sicher: S. ist mit seinem Auto gekommen und hat sie in eine Plane eingewickelt, ein eine Kompostier-Plane. S., der sich selbst als „Hobby-Landwirt“ bezeichnete, soll eine solche besessen haben. Auch im Wald bei Rodacherbrunn hatten die Ermittler kleine Reste einer solchen Plane gefunden.
Nach Informationen unserer Zeitung lagen dort weder Reste ihrer Jacke noch ihrer Hose, ihre schwarzen Plateau-Schuhe standen ausgezogen etwa 15 Meter neben der Leiche unter einer Wurzel, säuberlich nebeneinander. All das deutet darauf hin, dass das Mädchen zumindest teilweise ausgezogen wurde. Was einen möglichen Missbrauch ins Spiel bringt. Genau das, was Ulvi K. und Manuel S. einige Tage zuvor „besprochen“ hatten, wie es auch in den alten Akten zu lesen ist. Ulvi K. hatte S. in einer Kneipe in Lichtenberg davon erzählt, dass er Peggy missbraucht habe.
Dies räumte S. am 12. September 2018 in einer fast zehnstündigen Vernehmung auch ein. Und er sagte, er habe die Leiche am Bushäuschen in Lichtenberg übernommen – von Ulvi K. Er, S., habe versucht, das Mädchen wiederzubeleben, sie dann aber in eine Decke gewickelt und ins Auto gelegt. Und dies mitten im Dorf, an einer Bushaltestelle, die als Treffpunkt für Jugendliche galt, die von vielen Bussen angefahren wurde, direkt gegenüber der größten Firma in Lichtenberg lag, mitten im Wohngebiet. Nach Informationen unserer Zeitung halten die Ermittler diesen Ort für „nicht realistisch“. Das ist diplomatisch für eine glatte Lüge.
Auffälliges Sexualverhalten
S. hatte damals keine Freundin. Und er hatte in seiner Jugend ein sexuelles Verhältnis mit Ulvi K. Sexuellen Kontakt soll er nur zu einer Frau bei einem Bordellbesuch an seinem 18. Geburtstag gehabt haben, der nach seinen eigenen Angaben nicht klappte. Dieses Sexualverhalten von S. war auch den Ermittlern 2002 schon aufgefallen, weswegen er damals in Verdacht geriet. Vor allem, nachdem er bei einem Ausflug betrunken damit geprahlt hatte, Peggy vergraben zu haben. Die Polizei vernahm ihn häufig, er blieb dabei, nichts mit dem Verschwinden Peggys zu tun zu haben. Und ausgerechnet am 12. September 2018 gab er zu, das Mädchen verscharrt zu haben, obwohl er jahrelang Erfahrung im Umgang mit der Polizei hatte und Leugnen gewohnt war. In all den Vernehmungen 2001 und 2002 hatte er sich öfter widersprochen: Mal kannte er Peggy, mal wieder nicht.
Für die Zeit zwischen 13.24 Uhr, als Peggy zum letzten Mal gesehen wurde, und 15.17 Uhr, als er Kontoauszüge holte, hat S. kein Alibi. Und außerdem gab er mal an Peggy nicht zu kennen, ein andermal kannte er sie. Ein weiteres Indiz.
"Riesen-Blamage"
Jörg Meringer, Verteidiger von Manuel S. aus Hof, bezweifelte alle diese Indizien – und sollte recht behalten. Er wisse gar nicht, was in den vergangenen zwei Jahren Neues in dem Fall dazugekommen sein soll, sagte er jüngst einem Reporter. Auch die Telefonüberwachung bei S. hätte nichts erbracht. Gleich nach der Heimkehr vom Verhör habe dieser seiner Frau gesagt, dass er der Polizei „Mist“ erzählt habe. Jeder wisse, dass sein Geständnis falsch gewesen sei und dass die Szene mit dem Bushäuschen nicht stimmen könne. Meringer kann sich nur eine Einstellung spätestens im Zwischenverfahren oder einen blanken Freispruch bei Richter Carsten Sellnow und eine „Riesen-Blamage für die Ermittler“ vorstellen.
Das Gespräch Ulvis mit dem Vater in der Zelle beweise nichts, es sei auch nicht ohne Druck für Ulvi gewesen. Der Vater habe Riesendruck aufgebaut und habe gesagt: „War's der S.?“ Dann erst habe Ulvi seine Geschichte von Manuel erzählt, um seinen Vater ruhiger zu stimmen. Er wünscht aber S., dass er endlich damit abschließen könne, er stehe das nur dank seiner Familie durch.
Für Meringer sei immer noch Holger E. der Hauptverdächtige, der wegen Kindesmissbrauch sechs Jahre in Haft saß und ein Stiefbruder von Peggys Nachbar war. Es sei ein leichtes, von seinem Wohnort nahe Halle in einer Stunde und 15 Minuten nach Lichtenberg zu fahren. Die Ermittlungen gegen ihn sind allerdings längst eingestellt.
Ramona Hoyer, die Anwältin von Peggys Mutter Susanne Knobloch, kommentiert die Lage nicht. Sie will sich im Laufe des Tages mit einer kurzen Pressemeldung an die Medien wenden.