Müller: "Wir schaffen das nicht"

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Der Merkel-Satz "Wir schaffen das" kommt in der bayerischen CSU nicht gut an. Die bayerische Sozialministerin Emilia Müller, die am Freitag die Jugendwerkstatt in Kulmbach besuchte, sagt im Kurier-Interview klar und deutlich: "Wir schaffen das eben nicht." Eine Situation wie vor einem Jahr als Tausende Flüchtlinge nach Bayern strömten, müsse eine Ausnahmesituation bleiben.

 
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Die bayerische Sozialministerin Emilia Müller unterhält sich mit dem syrischen Jugendlichen Hidr Al Jirudi. In der Jugendwerkstatt Kulmbach hat der 21-Jährige eine Ausbildung zum Maler begonnen. Foto: Andreas Harbach Foto: red

„Wir schaffen das“: Ein Jahr ist Merkels berühmter Ausspruch zur Flüchtlingskrise her. Hat’s Bayern geschafft?

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Emilia Müller: Ich bin der Auffassung, einen derart hohen Zugang schaffen wir eben nicht. Das war im letzten Jahr die größte Herausforderung, die ich als Ministerin erlebt habe. Der Spruch von unserer Bundeskanzlerin hat dazu geführt, dass 1,1 Millionen Menschen nach Deutschland gekommen sind und die meisten kamen nach Bayern. Und in Bayern kamen über 800.000 Menschen an. Die Herausforderung am Anfang war die, die Menschen im Bundesgebiet und Bayern zu verteilen, damit sie eine Bleibe und eine Unterkunft hatten und im Winter niemand in Zelten übernachten musste.

Sie sind der Ansicht, auf Dauer ist so ein Zustrom nicht zu bewältigen?

Müller: Die Integration muss ja im Anschluss auch gelingen. Ich glaube aber, dass die Integrationskraft der Bevölkerung eine Grenze erreicht hat. Das gilt auch für die Ehrenamtlichen und für alle die in der Integrationsarbeit im Einsatz sind. Das muss eine Ausnahmesituation bleiben und ist auf Dauer tatsächlich nicht zu bewältigen. Wir haben jetzt die größten Anstrengungen. Die Integration ist eine weitaus größere Aufgabe als die alleinige Unterbringung in Wohnungen. Wenn die Menschen eine Bleibeperspektive haben, müssen sie Sprachkurse belegen, weil wir sie integrieren wollen und müssen. Eine gelingende Integration ist die Voraussetzung dafür, dass die Arbeitslosigkeit niedrig, der Wohlstand erhalten und das Zusammenleben in der Gesellschaft möglich bleibt. Das wollen wir gewährleisten. Wir wollen in Bayern keine Parallelgesellschaften, wie das in anderen Bundesländern oft der Fall ist. Das hatten wir in der Vergangenheit nicht und das wollen wir auch in Zukunft nicht.

Was verstehen Sie konkret unter einer gelungenen Integration?

Müller: Gelungene Integration bedeutet, dass die Menschen, die zu uns kommen, unsere Sprache lernen und beherrschen, unsere Werte und unsere Rechtsordnung akzeptieren und danach leben. Und dass sie Integrationswillen mitbringen und mit uns leben wollen, nicht neben und nicht gegen uns. Und dass sie so schnell wie möglich einen Arbeitsplatz finden, damit sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und für sich selbst sorgen können.

Noch immer werden die Asylanträge zu langsam bearbeitet. Hindert das die Menschen nicht daran, sich zu integrieren, wenn sie so lange in einer Warteschleife festhängen?

Müller: Ich kann Ihnen nur sagen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das ist eine Bundesbehörde, hier mit einem größeren Tempo voranschreiten muss. Die Anhörungen müssen schneller stattfinden, damit auch die Asylbewerber schneller Bescheid wissen über ihren Bleibestatus.

Müssten Sie bei bayerischen Arbeitgebern nicht noch mehr dafür werben, dass Sie Flüchtlinge einstellen?

Müller: Wir stehen in engem Kontakt mit der bayerischen Wirtschaft, mit den IHKs, den HWKs und mit der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, aber auch mit der Bundesagentur für Arbeit. Wir haben ein gemeinsames Programm, einen Pakt mit der Wirtschaft erstellt. 60 000 Plätze für Praktika, Bildung und Ausbildung bis 2019, das sehe ich als einen sehr großen Fortschritt, und wir sind auch erfolgreich, was die Vermittlung anbelangt. Aber selbstverständlich brauchen wir weitere Ausbildungsplätze und Arbeitsstellen für die Menschen, die bereits einen Berufsabschluss haben.

Viele befürchten einen Anstieg der Kriminalität bei steigenden Asylbewerberzahlen. In der polizeilichen Statistik schlägt sich das bisher nicht nieder. Ist die Furcht unbegründet?

Müller: Man muss das auseinanderhalten, Asylbewerber und Kriminalität. Die Menschen, die zu uns kommen, müssen sich an unserer Rechtsordnung orientieren. Wenn sie dieser zuwider handeln, wissen sie, dass sie in ihre Heimatländer zurückgeführt werden. Was wir wollen, ist Sicherheit für unsere Gesellschaft. Deshalb stellen wir in Bayern jetzt bis zum Jahr 2020 2000 neue Polizisten ein, damit die Präsenz der Polizei vor Ort stärker ist. Das ist wichtig, für den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung.

Was ist in den nächsten Wochen und Monaten die größte Herausforderung bei der Integration von Flüchtlingen in Bayern?

Müller: Die größte ist, dass die Menschen alle Wohnraum bekommen und wir den Familiennachzug regeln. Wir haben seit gestern die Wohnsitzauflage, damit wir keinen weiteren Zuzug in die Ballungsräume haben und die Menschen ausgewogen verteilen im ganzen Land. Integration muss überall und vor Ort stattfinden.

Aktuelle Flüchtlingszahlen

In Oberfranken leben (Stand: 29. August 2016) 2.219 Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften. Dezentral werden derzeit 6280 Menschen versorgt. In der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken leben 531 Flüchtlinge. Rund 9.030 Asylbewerber beherbergt der Bezirk somit. Im Landkreis Bayreuth leben 551 Flüchtlinge, im Kreis Kulmbach 496 und im Kreis Wunsiedel 756. Die Stadt Bayreuth hat 458 Flüchtlinge aufgenommen.