Modell Lucy Riss in der Gießharzplatte

Amputiert: Die ästhetischen Qualitäten des Betonsockels der Skulptur „Modell Lucy“ halten sich in Grenzen. Foto: Roman Kocholl

Wer als Tourist vom Luitpoldplatz in Richtung Stadtzentrum flaniert, mag sich wundern: eine Betontreppe, die ins Nichts führt? Ein Thron ohne Herrscher? Oder eine Fußgängerbrücke, die nie zu Ende gebaut wurde? Der kundige Bayreuther weiß natürlich Bescheid. Was im Moment abgesperrt ist wie eine Baustelle, ist tatsächlich der Sockel der Skulptur „Modell Lucy“, die dort im Jahr 2014 aufgestellt wurde. Doch Lucy ist fort. Und das hat seinen Grund.

 
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Bayreuth - Lucy ist ein Kunstwerk, das nicht nur zum Anschauen da war. Anfassen und Betreten war ausdrücklich erwünscht. „Kinder können dabei einen spielerischen Umgang mit Skulpturen lernen“, sagt Bayreuths Kulturreferent Benedikt Stegmayer.

Jedoch: Lucy ist fort. Dazu muss man wissen: Lucy ist eine ziemlich launische Diva. Ihre Schöpfer, die Künstlerinnen Sabine Haubitz und Stefanie Zoche, haben offenbar die klimatischen Bedingungen, mit denen Kunstwerke in Bayreuth konfrontiert werden, unterschätzt.

Zur Erinnerung: Vor einigen Jahren war es dem Kunstwerk am Canal Grande an der Ecke zum Luitpoldplatz zu heiß geworden. Angesichts brütender Hitze begann die schwere Gießharzplatte sich zu neigen. Was von den Künstlerinnen ganz und gar nicht beabsichtigt war.

Lucy im Bauhof

In diesem Jahr nun hat Lucy offenbar das gegenteilige Wetterphänomen zugesetzt. Man weiß: Der Winter in Bayreuth kann hart und unerbittlich sein. Und so hat der jüngste Winter mit seinen Frösten der Skulptur derart zugesetzt, dass sich im unteren Bereich der bisweilen gelblich leuchtenden Platte ein nicht zu übersehender Riss gebildet hat.

Seitens der Stadt wollte man kein Risiko eingehen. Lucy wurde abgebaut und in den Städtischen Bauhof gebracht, wo die Patientin darauf wartet, verarztet zu werden. Wie das genau vonstatten gehen soll, scheint derzeit noch keiner so genau zu wissen. Fest steht aber: Lucy soll eines Tages wieder an ihren angestammten Platz zurückkehren.

Das Objekt ist Teil der Bayreuther Skulpturenmeile, deren Kunstwerke auch jenseits von kunstästhetischen Fragen immer wieder für Gesprächsstoff sorgten. Vor gut zwei Jahren wurde die Skulptur Marsyas des österreichischen Künstlers Alfred Hrdlicka von ihrem angestammten Platz in der Brautgasse verdrängt, da im benachbarten Gasthaus ein Fettabscheider plus Lastenaufzug eingebaut werden musste. Immerhin: Marsyas ist längst wieder da.

Strahlender Kronleuchter

Und das möchte man auch Lucy wünschen. Denn die ästhetischen Qualitäten der Skulptur sind enorm. Einst wurde im Kurier eine Studentin, die täglich auf dem Weg zur Uni an der Skulptur vorbeiradelt, mit den Worten zitiert: „Am schönsten ist es morgens, wenn sich das Sonnenlicht in dem Gelb bricht. Dann sieht es aus, als würde der angedeutete Kronleuchter strahlen.“

Im Bayreuther Rathaus wartet man nun auf Lösungsvorschläge, wie der Riss in der Gießharzplatte zu reparieren ist.

Ach ja, übelmeinenden Gerüchten, dass in der benachbarten Bankfiliale ein Fettabscheider eingebaut werden soll, muss an dieser Stelle energisch entgegengetreten werden.

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