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Mittelstand Politiker diskutieren über Europa

Von Julian Seiferth
Im Altenstädter Schloss diskutierten (von links) Moderator Stephan Moritz, Barbara Fuchs von den Grünen, Marina Schuster von der FDP, Christoph Götz von der CSU, Sylvia Limmer von der AfD, Martin Lücke von der SPD und Kathrin Flach-Gomez von der Linken. Foto: Ralf Münch Quelle: Unbekannt

PEGNITZ. Im Altenstädter Schloss trafen Vertreter von sechs Parteien auf rund ebenso viele Vertreter des Mittelstandes, um ihre Vision von Europa zu diskutieren.

 
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Der Abend fand unter dem Motto „Denk’ ich an Europa in der Nacht“ statt und wurde vom Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW) organisiert. Bettina Angerer, Geschäftsstellenleiterin des BVMW in Oberfranken, sagte: „Wir stehen für das unternehmerische Denken, nicht nur in Deutschland, sondern mit 30 Büros im Ausland auch weltweit.“

99 Prozent Mittelstand

An der Diskussion nahmen Martin Lücke (SPD), Christoph Götz (CSU), Marina Schuster (FDP), Barbara Fuchs (Bündnis 90/Die Grünen), Sylvia Limmer (AfD) sowie Kathrin Flach-Gomez (Die Linke) teil. Moderiert wurde der Abend von Stephan Moritz, der das BVMW-Büro in Brüssel leitet.

Während der Einstiegsfragen arbeiteten Moritz und die Politiker die Bedeutung mittelständischer Unternehmen heraus. Moritz zeigte, dass über 99 Prozent der deutschen Unternehmen zum Mittelstand gehören. Sie beschäftigen 60 Prozent der Arbeitnehmer. 70 Prozent aller Gesetze, die kleine und mittlere Unternehmen betreffen, basieren auf Entscheidungen aus EU-Gremien.

Es fehlt die Power

An dieser Stelle hakte der Sozialdemokrat Lücke ein: „Wir kommen aus einer Zeit, wo wir darauf angewiesen waren, dass andere Völker uns die Hand reichen und uns in die europäische Gemeinschaft hineinführen.“ So gesehen läge die Quote bei 100 Prozent. Die beiden waren sich darüber einig, dass die EU für Unternehmen wichtig ist. „Unternehmer müssen wählen gehen, damit uns die Politik anhört. Wir wollen, dass unser Prinzip, zuerst an die Kleinen zu denken, in die Gesetzgebung einfließt. Denn die haben die größten Schwierigkeiten, beispielsweise mit der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).“ Die sei, so Moritz, nicht ausreichend mit den kleinen Unternehmen abgestimmt worden. Gerade denen fehle im Gegensatz zu Großunternehmen die Power – seien es die Mitarbeiter oder die Rechtsabteilungen –, um neue Regelungen umzusetzen.

Digitalisierung als Chance

Die Podiumsdiskussion selbst begann Moritz mit der Frage nach einem E-Government wie in Estland, wo jeder Este ab dem Moment seiner Geburt eine eigene Mail-Adresse bekommt und ein Großteil der Verwaltung online abläuft. Außerdem wollte er wissen, wie die Gäste zum Bürokratieabbau stehen.

Es herrschte die erwartbare Einigkeit: Im Prinzip sehen alle Parteien in der Digitalisierung eine Chance, dass unnötige Bürokratie abgebaut werden und man sich bei Estland etwas abschauen könne. Der Christsoziale Götz, selbst vor kurzem als Urlauber in Estland, war voll des Lobes: „Es ist Wahnsinn, was man da online machen kann.“

Andere Richtlinien in jedem Bundesland

Ihm sei aber auch klar, dass Deutschland noch ein weiter Weg bevorstehe. Zustimmung kam von Martin Lücke, der vorhersagte, „dass wir noch längere Zeit mit solchen Systembrüchen leben müssen“. Estland sei ein übersichtliches Land mit etwas über einer Million Einwohner, in Deutschland gebe es allein in jedem Bundesland andere Richtlinien.

Kampf um Fachkräfte

Michael Angerer, Geschäftsführer einer Event-Agentur, wollte wissen, wie die Parteien deutsche Unternehmen im Kampf um Fachkräfte unterstützen wollen. Kathrin Flach-Gomez von der Linken war sich mit den meisten ihrer Mitbewerber einig, dass die Anwerbung auch aus dem Ausland erfolgen muss. Dafür sei eine Willkommenskultur notwendig, ebenso aber auch Bildungsgerechtigkeit für zukünftige Fachkräfte in Deutschland. Ebenso wie sie, wies auch die Grüne Barbara Fuchs darauf hin, dass nach wie vor zu viele Geflüchtete abgeschoben werden, die in einem Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis stünden.

Suchende und Findende

Angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit, gerade in Südeuropa, forderte Marina Schuster (FDP) die Einrichtung einer europäischen Agentur, die „Suchende und Findende verbindet“. Einzig AfD-Frau Sylvia Limmer plädierte für eine strikte Trennung. Nach kanadischem Vorbild solle qualifizierte Einwanderung geregelt werden, ein Spurwechsel für Asylbewerber soll aber nicht möglich sein – dies sei ein „Gastrecht auf Zeit“.

AfD-Frau platzt der Kragen

Auf die Frage eines europabegeisterten Bürgers, wie es denn nun weitergehe mit Europa, flogen dann zum Ende die Fetzen. Nachdem alle anderen Politiker den Brexit als erschreckendes Negativbeispiel ausgemacht und vor der Herrschaft der Populisten gewarnt hatten, platzte Limmer der Kragen: „Ich bin keine Populistin, also lassen Sie das stecken.“ Nach deutlichem Widerspruch aller anderen Parteien, ging Limmer vom Podium. Ein Gesprächsangebot der Veranstalter schlug sie aus und verließ als Erste die Veranstaltung.

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