Setzen sich Scholz und Geywitz durch, dürften die kommenden Monate weitgehend unspektakulär werden. Sie würden dem Parteitag am kommenden Wochenende wohl vorschlagen, die GroKo fortzusetzen - dass sich die Delegierten gegen das Votum ihrer frisch gewählten Vorsitzenden stemmen, gilt als unwahrscheinlich.
Offen ist, ob die beiden Pragmatiker es schaffen, ihre aufgebrachte Partei zu versöhnen. Dem Vizekanzler Scholz haften die Wahlniederlagen der vergangenen Monate an, dennoch sieht er sich als künftigen Kanzlerkandidaten. Er verfolgt - ähnlich wie die im Sommer zurückgetretene Parteichefin Andrea Nahles - die Doppelstrategie: In der Koalition möglichst viele sozialdemokratische Projekte auf den Weg bringen - und die Partei programmatisch nach links rücken.
Aufregender würden die nächsten Wochen, wenn Walter-Borjans und Esken sich durchsetzen. Sie wollen die große Koalition zwar nicht fluchtartig verlassen. Doch sie haben klar gemacht: Das Regierungsbündnis kann nur dann weitergeführt werden, wenn CDU und CSU den Koalitionsvertrag neu verhandeln - dazu gehören aus ihrer Sicht weitere Milliardeninvestitionen in Klima, Straßen, Schulen und ein Mindestlohn von 12 Euro.
"Nowabo" und Esken könnten dem Parteitag einen Forderungskatalog vorschlagen, den die SPD in Gespräche mit der Union einbringt. Ziehen CDU und CSU nicht mit - und das hat CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer bereits angedeutet - müssten die Sozialdemokraten reagieren. Sie werde der Partei dann "einen geordneten Rückzug" vorschlagen, hat Esken bereits angekündigt.
Wie es nach einem möglichen GroKo-Aus weitergeht, ist offen. Zumindest der Bundeshaushalt für das kommende Jahr ist beschlossen, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) könnte also eine Zeit lang mit einer Minderheitsregierung weitermachen. Im zweiten Halbjahr 2020 übernimmt Deutschland die Ratspräsidentschaft der EU - Neuwahlen kurz davor wird man verhindern wollen.
Einige Sozialdemokraten fürchten, ohne Regierungsbeteiligung werde die SPD noch weiter abstürzen als bisher. Vor allem das Partei-Establishment hat sich deshalb zuletzt ziemlich geschlossen hinter Scholz und Geywitz gestellt.
Die Vorentscheidung fällt am Nikolaustag, wenn die neue Doppelspitze der SPD auf dem Parteitag endgültig gewählt wird. Arbeitsminister Hubertus Heil machte am Freitag in einer Bundestagsrede schon einmal klar: "Wir haben gemeinsam viel vor, das nicht nur an Nikolaus, sondern auch darüber hinaus."