Landschaft – Landschaft – Brücke – Landschaft – Lärmschutzwand – Lärmschutzwand – Lärmschutzwand – Tunnel – Tunnel – Tunnel – Tunnel. Und noch mal Tunnel. 22 Stück wurden gebohrt. Hebammen würden vermutlich den Begriff der schweren Geburt verwenden. Bereits 1991 begannen die ersten Bauarbeiten für das größte Schienenprojekt der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit. Es trägt die Nummer acht – VDE8 also. Zehn Milliarden Euro sollte VDE8 verschlingen, und jetzt, wo es fertig ist, hat es, man glaubt es kaum, zehn Milliarden Euro verschlungen. Punktlandung, freut sich DB-Vorstand Huber.
Kleine Zahl, großes Tempo. Foto: Peter Gisder
Punktlandung auch bei der Bauzeit. Obwohl: Vor 20 Jahren, also 1997, hatte man noch mit der Inbetriebnahme des Gesamtprojekts im Jahre 2006 gerechnet. Aber ach – zwei Baustopps legten das Projekt rund zehn Jahre auf Eis; auch stand die Forderung nach einer gesamten Einstellung der Arbeiten im Raum.
17 Millionen Menschen können profitieren
Doch Schnee von gestern. Der Premierenzug, der nur mit einer behördlichen Sondergenehmigung auf die rasende Reise gehen konnte, brettert weiter durch Tunnel – Tunnel – Brücken – Lärmschutzwände – Lärmschutzwände – Tunnel.
Von einem „ungeheuren Mobilitätsfortschritt auf der Strecke München-Berlin" hatte zuvor Verkehrsminister Dobrindt gesprochen, und dass mit der Inbetriebnahme in gut 100 Tagen die Bahn auf dieser Relation das mit Abstand attraktivste Verkehrsmittel sein werde, das man wählen kann. Womit die Bahn Kunden und Marktanteile gewinnen werde.
In Bamberg: Verkehrsminister Alexander Dobrindt lobt die Bahn. Foto: Peter Gisder
Das hofft auch Bahnvorstand Huber, der die „größte Angebotsverbesserung in der DB-Geschichte“ in rosigsten Farben beschrieb. Rund 17 Millionen Menschen könnten laut Huber davon profitieren. Von kürzeren Reisezeiten und neuen Direktverbindungen. Bamberger beispielsweise, die in 45 Minuten in Erfurt sein können. Münchner, die statt bislang in sechs künftig in unter vier Stunden in die arme, aber sexye Hauptstadt fegen können.
Bayreuther steigen in Bamberg um
Und die Bayreuther? Für die wird Bamberg der neue Umsteigepunkt für ihre Bahnreise nach Berlin werden, sagt Lorenz Wünsch von DB Fernverkehr. Der Nahverkehrs-Aufgabenträger BEG habe Verkehre bestellt, die in Bamberg einen schlanken Anschluss an die weißen Sausezüge gewährleisten sollen. Zeitgewinn gegenüber heute: rund 70 Minuten.
Auf der Schnellfahrstrecke bei Arnstadt. Rechts die A71. Video: Peter Gisder
Wobei es in Bamberg noch keinen Stundentakt geben wird. Zumindest zunächst nicht. Denn die VDE8-Neubaustrecke mag zwar fertig sein, im Hinterland, also in Richtung Nürnberg, da hakt es noch. Noch ziemlich. Da fährt der Super-ICE noch unter Fahrdraht, dessen Masten aus der Reichsbahnzeit stammen. Immerhin wurde die Signaltechnik mittlerweile modernisiert.
Die Bahn hofft, den viergleisigen Ausbau der S-Bahn im Raum Fürth-Erlangen-Forchheim bis 2021 auf die Reihe zu bekommen. Im Bamberger Umland sollten die Ausbauarbeiten bis 2024 fertig sein.
Doch da ist noch die Stadt Bamberg. Fünf Jahre werde schon verhandelt, wie die Bahn sich künftig durch die Stadt schlängeln soll, klagt Olaf Drescher von DB Netz. Und hat ein Ziel vor Augen: 2028 soll alles unter Dach und Fach sein. Endlich. Dann könnten die Züge noch einmal zehn bis zwölf Minuten herausholen.
Sprinterhalt in Nürnberg, nicht in Bamberg
Wobei: Das mit München-Berlin in unter vier Stunden ist auch ein wenig geflunkert. Diese Zeiten erreichen nur die Sprinterzüge zwischen den beiden Metropolen, die dreimal am Tag pro Richtung fahren sollen, mit Vmax=300. Nürnberg wird Sprinterhalt werden, Bamberg jedoch nicht. Die normalen, stündlichen ICEs werden für die Gesamtstrecke vergleichsweise gemütliche viereinhalb Stunden benötigen. Mit Höchsttempo 280.
Wird das ein teurer Spaß? Die normalen Tarife werden auch auf der VDE8 gelten, verspricht die Bahn. Auch die Sparpreise. Auch in den Sprinterzügen. Die ohne Zuschlag oder Reservierungspflicht benutzt werden können.
Angekommen: Der Premierenzug in Erfurt. Foto: Peter Gisder
Und wenn man nach all dem Gesause aus Nürnberg wieder mit dem Dieselschaukler nach Bayreuth fährt, da könnten einem schon die Tränen kommen. Darüber, dass die Strecke mit ein wenig Glück, Zufall und politischen Durchsetzungsvermögen auch genauso gut hätte über Schnabelwaid-Bayreuth-Hof führen können. Hätte man damals, kurz nach der Einheit, nicht in Thüringen lauter „Hier!“ gerufen.
Aber das ist Schnee von gestern.