"Bra" steht für "Brat", das russische Wort für Bruder. "Brat" heißt auch ein russischer Kultfilm über einen Außenseiter. Der Rapper, der aus der Kälte kam, zog mit sieben Jahren mit seiner Mutter nach Berlin-Hohenschönhausen und wurde durch die Veranstaltung "Rap am Mittwoch" bekannt. Der Vergleich mit Abba und den Beatles hinkt indes - im digitalen Zeitalter entstehen Hitparaden ganz anders als damals.
Der Reiz bestehe darin, dass Capital Bra aus seiner kleinkriminellen Vergangenheit und anderen kontroversen Themen aus seinem Leben kein Hehl mache und die Entwicklung vom "Bordstein zur Skyline" möglichst authentisch zu inszenieren versuche, sagt Experte Kleiner. Seinen heranwachsenden Fans vermittele der Musiker die Botschaft: "Jeder kann es schaffen." Und: "Bleib Dir treu." Damit erreiche er das für die Jugend wichtige "Empowerment" (etwa: Selbstbestimmung).
Dabei entbehrt der Erfolg eines aus Sibirien stammenden Rappers in Deutschland in diesen Tagen nicht einer gewissen Ironie. Erst vor kurzem kontrollierten in Russland Polizei und Geheimdienst Rap-Konzerte und unterbanden sie zum Teil. Rap und andere Formen der Popkultur beruhten auf drei Dingen, kritisierte Kremlchef Wladimir Putin: "Sex, Drogen und Protest." Aber eine offene Konfrontation mit der einflussreichen Subkultur vermeidet Moskaus Machtapparat bisher.
Capital Bra schildere in seinen Songs zwar Gewalterfahrung, rufe aber nicht zur Gewalt auf, sagt Kleiner der Deutschen Presse-Agentur. Rap sei schon lange in der Mittelschicht nicht mehr verpönt. "Dort wird er als eine Art Verwilderungsunterhaltung konsumiert - ähnlich dem Stellvertretererlebnis beim Schauen von Thrillern oder Horrorfilmen."
Capital Bra habe kein neues Genre geschaffen, sondern sich an ein erfolgreiches Genre erfolgreich angeschlossen, betont Kleiner. Der Musiker vereine auf eine für Fans attraktive Weise Wortspiele sowie den ungefilterten Ausdruck von Gefühlen und Gedanken und dynamischem Beat, meint der 45-jährige Wissenschaftler. "Er hat einen ganz guten Flow." In der renommierten Popakademie in Mannheim ist Rap längst Unterrichtsstoff. Manche sehen den Sprechgesang selbst schon als Pop.