Mit Mahela Rostek das Wünschen üben

Von Katharina Fink
 Foto: red

Bei den Bayreuther Festspielen ist Mahela Rostek dafür verantwortlich, dass die Kostüme makellos sitzen und die Umkleidungen plangemäß ablaufen. Doch Rostek ist nicht nur Ankleiderin, sie ist auch Künstlerin, eine, die in ihren Arbeiten die Grenzen von Theater, bildender Kunst und Biografie auslotet.

 
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Spricht Mahela Rostek von ihrer Kunst, so beschreiben ihre Hände zarte Linien in der Luft, vielleicht zeichnen sie die Flugbahnen von Vögeln nach. „Vorstellungskraft“ ist ein Wort, das in ihrer Erzählung immer wieder fällt. In ihren Werken gehe es ihr auch darum, die Mitgestalter – als das sieht sie ihre Besucher – darin zu ermutigen, sich etwas vorzustellen. Eine Wahl zu treffen. Auch: Das Wünschen zu üben.

Als Bühnenbildnerin tätig

Übungsräume für die Vorstellungskraft schafft Mahela Rostek ganz klassisch im Bereich des Theaters, wo sie etwa in Bonn und London als Bühnenbild-Gestalterin tätig war und ist; aber auch in der Freien Kunst und der Performance. Am liebsten sehe sie sich dabei in der Rolle der Gastgeberin, erzählt die 1978 in Freiburg geborene Künstlerin. Viele ihrer Performances beinhalten dann auch diese Rolle: Die der Begrüßenden, Einführenden, Helfenden. „Ich sehe meine Rolle darin, Räume zu schaffen, um Dinge zu ermöglichen“, erklärt Mahela Rostek, die am renommierten Central St. Martins College of Art & Design und der Royal Central School of Speech and Drama in London studierte. Im Festspielhaus am Grünen Hügel ist sie als Ankleiderin dafür verantwortlich, dass die Kostüme makellos sitzen und die Umkleidungen plangemäß ablaufen.

Ihre Arbeiten loten Grenzen aus

In ihren eigenen Arbeiten spielt das fragile Konstrukt der Zeit, an dessen Stabilität die Menschen sich im Alltag klammern, eine große Rolle. In der Rauminstallation „Eat to Remember – Eat to Forget“ (Berlin 2010) etwa werden die Besucher aufgefordert, sich für einen der angebotenen Kekse zu entscheiden: REMEMBER prangt auf der einen Sorte, FORGET auf der anderen. Mit dem Einverleiben des Kunstwerks wird vergegenwärtigt, was vergessen oder erinnert werden soll. Zum Kontemplieren stehen Stühle bereit, auch kann eine Notiz zurückgelassen werden. Rostek erzählt, wie sehr sie die Direktheit der Zettel berührt habe, in positiver und erschreckender Weise. In einer anderen Arbeit, „Zeitfenster“, vor vier Jahren in Berlin, können die Besucher die eigene Vergangenheit, Gegenwart, aber auch die Zukunft besuchen.
 


 

Dass ihre Arbeiten die Grenzen von Theater, bildender Kunst und Biografie ausloten, ist Rostek bewusst. Die Aussage, ihre Arbeit habe therapeutische Züge, begegnet ihr häufig. Sie distanziert sich davon aber, vor allem seien die Arbeiten Kunstwerke. Und Kunst, da fliegen die Hände wieder, das sei doch die Aufforderung zum Spiel und zur Ehrlichkeit.

Ein Kunstwerk, das Gemeinschaft stiftet

Ihr jüngstes, noch andauerndes Projekt heißt „Einer von Tausend“. Einer japanischen Legende zufolge geht für den, der tausend Kraniche faltet, ein Wunsch in Erfüllung. Der Wunsch der Künstlerin ist es, „dass wir Menschen uns als Teil einer Welt begreifen, mit universellen Grundbedürfnissen und Wünschen, die uns verbinden“. Wer einen von Rosteks zu Leuchtobjekten gefalteten Kranichen erwirbt, wird Teil einer Gemeinschaft von Wünschenden. „Menschen bilden doch ständig Gemeinschaften, über Turnschuhe oder Autos – warum nicht über ein Kunstwerk?“

Einige Kraniche fliegen bereits durch die Welt. In der Verbindung der Menschen durch das Wünschen klingt die zärtliche Mahnung der Dichterin Hilde Domin an, die nichts von ihrer Schönheit verloren hat. Man solle nicht müde werden und „dem Wunder/ leise / wie einem Vogel die Hand hinhalten“. Es kommen auch Kraniche.