Mit 40 nochmal auf die Schulbank Viel strukturierter und rationaler

Rosi Thiem
Claudia Lottes aus Zips hat es mit 40 gewagt und sich an der Fachschule für Ernährung und Haushaltsführung in Bayreuth fortgebildet. „Ich sehe jetzt Haushalt und Garten aus einem anderen Blickwinkel.“ Rechts Abteilungsleiterin Christa Reinert-Heinz vom AELF Bayreuth. Foto: Rosi Thiem

Dreifache Mutter Claudia Lottes absolvierte die Fachschule für Ernährung und Haushaltsführung und hat den Ausbildereignungsschein

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Zips - „Klar, es war schon eine Umstellung“, sagt Claudia Lottes aus Zips, „seit meiner Ausbildung hatte ich keine Schulbank mehr gedrückt.“ Nun ist sie 40 Jahre und hat die einsemestrige Fachschule für Ernährung und Haushaltsführung mitsamt allen staatlichen Prüfungen und Ausbildereignungsschein hinter sich gebracht.

Am Anfang hatte die verheiratete, dreifache Mutter – die Kinder sind zwischen fünf und 14 Jahren – ernste Zweifel. „Du kannst es schon machen, sagte mein Ehemann Sebastian, doch die Familie soll nicht darunter leiden“, erzählt die erfolgreiche Absolventin. Eine befreundete Hauswirtschaftsmeisterin, die sie auf die Fachschule angestupst hatte, bestärkte sie: „Das kannst du schaffen. Eineinhalb Jahre ist eine absehbare Zeit. Das ist ein Sprungbrett in verschiedene Richtungen“, erinnert sich Claudia Lottes. Sie wagte es und staunte.

Rationales und strukturiertes Arbeiten

„Man denkt, Haushalt kannst du ja irgendwie sowieso. Plötzlich habe ich gemerkt, dass ich durch das neu gelernte, rationale und strukturierte Arbeiten mehr Zeit für mich hatte. Obwohl ich jeden Dienstag und Donnerstag vormittags in Bayreuth die Schule besuchte und es verschiedene Lernphasen gab, hatte ich endlich Zeit für Hobbys.“ Durch das Erlernte gehe sie ganz anders an die Arbeit heran. „Man ist definitiv zielorientierter“, freut sich die gelernte Friseurin, die aus gesundheitlichen Gründen ihren alten Beruf nicht mehr ausüben konnte. Ob in der Haus- und Gartenarbeit, der Natur- und Textilpraxis, in Ernährung und Küche oder auch im Projekt- und Finanzmanagement hätten sich für sie neue Welten geöffnet.

„Anfangs kostete es mich große Überwindung, Vorträge vor der Klasse zu halten“, erzählt die Zipserin. „Aber es ist machbar. Ich habe das freie Sprechen genauso wie das Erledigen von Arbeitsaufgaben per Mail oder Powerpoint bewältigt, das hat mir viel bei der Persönlichkeitsbildung geholfen“, ist die 40-Jährige heute stolz. Als Beispiel nennt die staatlich geprüfte Hauswirtschafterin ganz banale Kniffe der Vorratshaltung und Arbeitserleichterung. „Wenn ich einen Biskuitteig zubereite, backe ich gleichzeitig einen zweiten, den ich dann auf Vorrat einfriere. Das kostet weder mehr Zeit, noch ist es ein zusätzlicher Aufwand, weil beide Böden zeitgleich backen. Auch die All-in-Methode wende ich oft beim Backen an.“

Nun benutze sie auch Küchengeräte, um die sie früher einen Bogen machte. Arbeitspläne, die schulisch gestaltet wurden, gingen bei Claudia Lottes im Arbeitsalltag in Fleisch und Blut über. „Früher zog sich der Haushalt wie Kaugummi“, lacht die junge Frau. „Nun habe ich einen handfesten Grundstock, von dem ich enorm profitiere.“ Sie traut sich an die saisonale Vorratshaltung, die sie schon von Oma kannte und wägt mit ihrem erworbenen Wissen Neuanschaffungen und Arbeitsmethoden hinsichtlich Nachhaltigkeit und Umweltschutz ab. „Am Anfang dachte ich, ich weiß schon viel aus der Küche – doch meine Lehrerin Maria Schmitt wusste mehr“, grinst sie. „Da gab es auch bei mir und meinen Kolleginnen oft einen Aha-Effekt. Dank Frau Schmitt lernten wir, lecker und frisch bei viel Zeitersparnis und Professionalität etwas Vernünftiges auf den Tisch zu zaubern. „Unter den verschiedensten Teilnehmern gab es so viele gegenseitige, fruchtbare Erfahrungen durch die gemischten Alters- und Berufsgruppen. Wir inspirierten uns gegenseitig“, zeigt die Fachfrau auf.

Durch die Fachschule hat Claudia Lottes für sich ein neues Hobby entdeckt: Nähen. Sie lacht: „Genäht hatte früher nur die Mutter und Schwiegermutter. Für mich war die Nähmaschine eine „Höllenmaschine“, ulkt sie heute. „Ich hatte mich vorher nicht rangetraut. Durch mein Basiswissen traue ich mir zu, sogar Hosen zu kürzen oder Taschen zu nähen.“ Nach den Prüfungen warten schon einige bereitgelegte Stoffe, die verarbeitet werden wollen.

Die dreifache Mutter legt den Fokus mehr auf andere Sachen als früher und plant gezielt. Was möchte sie mit ihrem Abschluss beruflich anfangen? „Jetzt muss sich erst einmal alles setzen. Dann werde ich sehen. Ich kann mir vorstellen, in die Seniorenbetreuung zu gehen, aber auch in eine Wohngruppe für Jugendliche“, konkretisiert sie ihre Zukunftsgedanken und Wünsche. „Es wird ja auch besser bezahlt, wenn man einen Abschluss hat und als Fachkraft eingestellt wird.“

Am meisten gefällt ihr aber, dass die Familie so mitzog. Angefangen vom Ehemann, den Kindern, Eltern und Schwiegereltern brachte sich jeder mit ein. „Das hat uns alle richtig zusammengeschweißt. Meine Kinder haben gesehen, dass die Mama nicht rund um die Uhr da ist, sondern auch noch etwas Neues machen möchte. Sie haben erkannt, dass auch Erwachsene ein Leben lang lernen müssen“, ergänzt sie.

„Die Fachschule in Teilzeitform gibt es bei uns seit 1993“, erklärt die zuständige Abteilungsleiterin für Bildung und Beratung des AELF Bayreuth, Christa Reinert-Heinz. „Zugangsvoraussetzung ist eine abgeschlossene Ausbildung oder ein abgeschlossenes Studium. Die Schule ist kostenfrei. Ab Herbst, zum neuen Semesterbeginn, steht ein neues Konzept an und die Schule passt sich den veränderten Bedingungen an. Neu sind weniger Pflichtstunden, dafür gibt es je nach Einsatzmöglichkeiten interessante Wahlpflichtmodule, wie Großhaushalt, Berufs- und Arbeitspädagogik, Unterstützung im Alltag und Medienkompetenz mit Öffentlichkeitsarbeit“, erklärt Reinert-Heinz. Die Fachschule ist für Erwachsene, die sich umorientieren wollen oder auch einen Meister anstreben. Die Fachschule wurde komplett generalsaniert und die Unterrichtsräume lichtdurchflutet und attraktiv auf den neuesten Stand eingerichtet. Bis September wird der letzte Teil – die moderne Küche – fertiggestellt sein.

Männer sind noch dünn gesät

Wo bleiben die Männer? Die seien willkommen, aber noch dünn gesät. Dennoch bemerkt Reinert-Heinz eine Veränderung in der Gesellschaft: „Die Männer bringen sich für das Familienleben viel mehr ein als früher. Immer mehr Männer sind in Elternzeit, suchen eine Herausforderung und nutzen das Angebot. Unser Abschluss als Fachkraft für Ernährung und Haushaltsführung ist auch für Männer ein Zusatzbaustein für mehr Lebensqualität. Wir legen auch Wert darauf, dass Schule und Beruf zu vereinbaren sind.“ Die meisten Teilnehmer sind zwischen 25 und 55 Jahren alt, aber auch älter. „Auch im fortgeschrittenen Alter möchte man mehr wissen“, resümiert die Abteilungsleiterin. Alt und verstaubt ist der Beruf der Fachkraft für Ernährung und Haushaltsführung schon lange nicht mehr. Berufschancen für die Zukunft sieht Reinert-Heinz genug: „Viele Stellen können jetzt schon nicht mehr besetzt werden.“ Sie weist darauf hin, dass erstmalig in Bayreuth die Möglichkeit der Fortbildung zum Hauswirtschaftsmeister/in für die Führungsebene besteht.

Die Noten der letzten staatlichen Prüfungen stehen für Claudia Lottes noch aus, doch in dem bereits im Mai abgelegten Fachschulabschluss hat die junge Mutter mit 1,4 abgeschlossen. „Da ist die ganze Familie stolz drauf. Das puscht einen selbst“, strahlt sie glücklich. Vor allem wenn man sieht, wie ich es trotz anfänglicher Bedenken einfach so geschafft habe.“

Infos zum neuen Semester gibt es bei Christa Reinert-Heinz, Telefon 09 21/5 91 12 10, oder per E-Mail christa.reinert-heinz@aelf-by.bayern.de.

 

Bilder