Ministerrat verteilt Geschenke

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Der 20. Juni ist ein historischer Tag für Kulmbach. So empfinden es zumindest Landrat Klaus Peter Söllner (Freie Wähler) und Oberbürgermeister Henry Schramm (CSU). Doch noch bevor die Minister des Kabinetts zwischen 9 und 10 Uhr einlaufen, haben sich ganz andere auf dem Marktplatz postiert.

Mit Plakaten und Transparenten empfangen die über 100 Waldbauern aus dem Frankenwald den Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU). „Unser Frankenwald Nationalpark? Nein danke!“ steht darauf. Oder „Horst, lass die Finger von unserem Frankenwald“ und „Unser Frankenwald, ausverkauft von der CSU“. Die Protestierenden fallen auf, sie tragen mehrheitlich grüne T-Shirts.

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Einer von ihnen, ein Waldbesitzer aus Wallenfels, ist überzeugt: „Ein Nationalpark ist der Tod des Frankenwalds.“ Der Borkenkäfer werde die Fichtenmonokultur zerstören, wenn der Wald nicht mehr bewirtschaftet werden dürfe. Auch der oberfränkische BBV-Präsident Hermann Greif und der Himmelkroner Bürgermeister Gerhard Schneider (CSU) sind da, um die Waldbesitzervereinigung zu unterstützen. „Ich kann die Proteste nachvollziehen“, sagt Schneider. Denn ein guter Teil des infrage kommenden Gebietes sei Privatwald, sagt Schneider, der selbst Landwirt ist.

Auftreten der Waldbauern macht Eindruck

Als Ministerpräsident Seehofer aus dem Auto steigt, ist er sofort von einer Horde Fotografen und Kameraleuten umringt. Aber Seehofer überragt sie alle, bleibt freundlich und gelassen. Er dreht eine kleine Runde auf dem Marktplatz und sucht das Gespräch mit den Demonstranten. Später wird er sagen, das Auftreten der Waldbauern habe ihm imponiert. „Eine Schule der Demokratie“ nannte Seehofer den Dialog mit den Frankenwäldlern. Nicht überall werde so respektvoll mit Politikern umgegangen und versprach: „Wir werden nichts gegen den Willen der Bürger entscheiden, denn wir wollen Politik mit und nicht in Konfrontation mit den Menschen machen. Dafür garantiere ich persönlich.“

Neben dem Rathaus spielt die Stadtkapelle auf. Nach und nach treffen die Minister ein: Finanzminister Markus Söder trägt einen silbernen Koffer („mein Geldkoffer“) und verspricht „epochale Nachrichten für Oberfranken“. Arbeits- und Sozialministerin Emilia Müller spricht von einer wichtigen bevorstehenden Entscheidung für Wissenschaft und Umwelt. Allein der für die Hochschulen und die Forschung zuständige Minister Ludwig Spaenle hält sich merklich zurück.

Wunsch der JU geht in Erfüllung

Die Junge Union demonstriert für einen „Campus für Kulmbach“. CSU-Stadtrat Torsten Grampp steht mit in der Männerriege. Eine Hochschuleinrichtung würde endlich wieder frischen Wind und junge Leute in die Stadt bringen. Die Forderung ist nicht ganz neu. Wird sich das Kabinett dazu durchringen? Ja, aber anders als gedacht. Kulmbach bekommt eine Hochschuleinrichtung mit der Universität Bayreuth als „Mutter“. Weil die Stadt bereits viele Kompetenzen auf dem Gebiet der Lebensmittelwissenschaft aufweist. Wie zu vernehmen war, könnte als Standort das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs in Betracht kommen. In die Alte Spinnerei hingegen würden unter dem Dach eines „grünen Zentrums“ das Kompetenzzentrum für Ernährung, das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und die Lebensmittelüberwachungsbehörde des Freistaates einziehen.

Neben Kommunal- und Landespolitikern von CSU und Freien Wählern lassen sich nur wenige interessierte Bürger auf dem Marktplatz blicken. Dafür tummeln sich umso mehr Polizisten und Sicherheitskräfte auf dem sonst so beschaulichen Platz in der Innenstadt. Im Gegensatz zu den Waldbauern findet die Kundgebung der Jungsozialisten (Jusos) gegen Abschiebungen nach Afghanistan am Nachmittag kein Gehör bei den Politikern, die währenddessen im historischen Sitzungssaal tagen. Megafone sind nicht erlaubt, die Redner, die sagen: Wer in das Land zurückgeschickt werde, den erwarte nur der sichere Tod.

"Die CSU will ihre Wähler befriedigen"

SPD-Bundestagskandidat Thomas Bauske gesellt sich zu den höchstens 30 Teilnehmern. "Hier läuft in der Argumentation etwas verkehrt. Deutsche Soldaten sind in Afghanistan, weil es kein sicheres Herkunftsland ist." Auch Zivilisten seien dort nicht sicher. "Die Abschiebepolitik ist mir unbegreiflich." Weil die CSU keine Obergrenze für Flüchtlinge habe durchsetzen können, wolle sie den Zustrom nun offenbar auf anderem Wege regeln. "Es geht halt auf die Bundestagswahl zu, da will die CSU ihre Wähler befriedigen."

Und noch einer findet kein Gehör: Ein Iraner aus Weidenberg, der darum kämpft, eine Ausbildung als Zahntechniker machen zu können. Weil er Schwierigkeiten mit der Beglaubigung seines Schulzeugnisses hat, sind seine Pläne ins Stocken geraten. Doch der junge Mann kommt nicht an den Ministerpräsidenten heran. Hätte Seehofer helfen können, wenn er ihn wahrgenommen hätte?

Am Ende, als das Kabinett mit zwanzigminütiger Verspätung die Türen wieder öffnet, sind die Protestler längst weg. Und um sie wird es auch nicht mehr gehen, sondern um Infrastrukturprojekte. Wie den Ausbau der humanmedizinischen Ausbildung – und zwar am Klinikum Bayreuth in Kooperation mit der Universität Erlangen-Nürnberg. Während in Kulmbach der Schwerpunkt auf Lebensmittelforschung und Ernährung liegt. Weil die Jugend eine Einrichtung für Wissenschaft und Bildung brauche, so Seehofer. Als Anreiz, auf dem Land zu bleiben und nicht in die Großstadt zu ziehen. Wann diese kommt, wie und was genau für wie viel Geld verwirklicht wird, steht noch in den Sternen.