Entscheidend ist der ID.3 für den Konzern auch noch aus einem anderen Grund: Das Auto basiert auf dem Modularen Elektrobaukasten (MEB). Die Technologie, die durch Nutzung vieler Gleichteile auch Kosten spart, soll in den nächsten drei Jahren bei insgesamt 33 Modellanläufen verwendet werden - von Kompaktwagen über SUVs bis zu Limousinen.
Das alles kostet viel Geld, das wieder eingespielt werden muss. Insgesamt steckt VW bis 2023 mehr als 30 Milliarden Euro in die Elektrifizierung, weitere 14 Milliarden fließen in die Vernetzung und Assistenzsysteme. Nach Zwickau werden Emden und Hannover sowie teils Standorte in China und den USA zum MEB umgerüstet. Batteriesysteme und Antriebe kommen aus den eigenen Zulieferwerken Braunschweig und Kassel. Und in Salzgitter baut VW ab dem kommenden Jahr mit dem schwedischen Partner Northvolt eine Fabrik für eigene Batteriezellen.
Klar ist: Beim Ausbau der E-Mobilität ist Eile geboten, Deutschland hinkt hinterher. Pläne zum Ladenetz-Ausbau sind am Montagabend Thema eines "Autogipfels" im Kanzleramt. "Damit Deutschland führende Automobilnation bleibt, müssen Politik und Industrie Hand in Hand an der schnellen Verbreitung von Elektrofahrzeugen arbeiten", heißt es.
Auch mit Blick auf die Klimapolitik ist ein Umschwenken nötig. 2021 greifen härtere EU-Vorgaben zum CO2-Ausstoß. Verkaufen Autobauer dann nicht genug E-Fahrzeuge, drohen Milliardenstrafen.
Manch ein Kritiker nimmt VW das "grüne" Image nicht ab. Besonders stört man sich an SUVs. In Dickschiffe E-Motoren einzubauen, reiche nicht, monierte BUND-Vize Ernst-Christoph Stolper. Beim ID.3 verspricht VW CO2-Neutralität: In der Bilanz aus Lieferkette, Herstellung und Laden sollen keine zusätzlichen Emissionen entstehen. Wo dies unvermeidbar sei, leiste man "Kompensation" über die Unterstützung von Klimaschutzprojekten.
Doch so ehrgeizig der Start der ID-Reihe ist: Es gibt Unwägbarkeiten. Neben dem unklaren Nachfragevolumen muss VW weiter finanzielle Lasten aus "Dieselgate" verdauen, auch wenn zuletzt erneut ein deutliches Gewinnplus übrig blieb. Und die Verlagerung von immer mehr Jobs vom Verbrennungsmotor zu den weniger arbeitsintensiven E-Antrieben ist das Zukunftsthema schlechthin für Betriebsräte und Gewerkschaften. In Zwickau werden alle 8000 Mitarbeiter geschult. Diess betont: "Zwickau wird auch eine unserer am höchsten automatisierten Fabriken sein."
Der Betriebsrat steht insgesamt hinter der E-Offensive. "Zwickau wird zum Eisbrecher des Konzerns", sagt der Chef der Mitarbeitervertretung in Sachsen, Jens Rothe. Aber nicht jeder sei anfangs begeistert vom Umbruch gewesen: "Wir erleben den Entfall von einfachen Tätigkeiten" - zugleich allerdings auch einen Zuwachs höher qualifizierter Aufgaben.
Und die Konkurrenz schläft nicht. BMW, mit dem i3 einst Pionier im elektrischen Kleinwagen-Segment, meldet solide Verkäufe, wenn man E- und Hybridfahrzeuge zusammenrechnet. Vorstandschef Oliver Zipse will sich bei der Entscheidung für die Antriebsform der Zukunft aber noch nicht festlegen. Bei Daimler setzt man auf die Elektro-Baureihe EQ - bisher vor allem jedoch mit dem SUV EQC und dem Minibus EQV.
VW dürfte mit dem ID.3 einen Startvorteil im Massengeschäft haben, schätzt der Analyst Frank Schwope von der NordLB: "Volkswagen setzt mit einer beeindruckenden Wucht auf die Elektro-Karte." Ob in Zwickau sogar die Aufholjagd zum Rivalen Tesla beginnt? Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management sah die Amerikaner jüngst noch "mit deutlichem Abstand" als innovativsten E-Hersteller. Aber VW steige in den "Kreis der High-Performer" auf. Auch die Kanzlerin hofft, dass das so kommt: "Es ist wichtig, dass der Hochlauf der Elektromobilität hinein in die Massenproduktion jetzt hier wirklich stattfindet."