Die Unterkünfte für Asylsuchende in Deutschland sind nach Recherchen und Berechnungen der "Bild" (Samstag) derzeit insgesamt zu 64 Prozent (43.672 von 67.877 Plätzen) ausgelastet. Das berichtet die Zeitung unter Berufung auf eine Statistik aus dem Bundesinnenministerium vom Januar 2023. In den Bundesländern sei die Quote unterschiedlich hoch, am niedrigsten liege sie demnach in Sachsen mit 18 Prozent und am höchsten in Thüringen mit 96 Prozent. In NRW lag sie laut "Bild" bei 58 Prozent, aus Sachsen-Anhalt gab es keine Angaben.
Umfrage: 51 Prozent meinen, Deutschland hat eher zu viele aufgenommen
In der Bevölkerung ist die Aufnahme von Flüchtlingen einer Umfrage zufolge derzeit umstritten. Die repräsentative Befragung des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag der "Bild am Sonntag" ergab, dass 51 Prozent der Bundesbürger der Meinung sind, Deutschland habe eher zu viele Geflüchtete aufgenommen. 33 Prozent halten die Anzahl demnach für angemessen, und 11 Prozent glauben, dass Deutschland mehr Menschen aufnehmen sollte.
Bundeskanzler Scholz betonte im Interview der "Bild am Sonntag", Deutschland brauche Fachkräfte aus dem nicht europäischen Ausland. Gleichzeitig sprach er sich für konsequenteres Abschieben aus. "Wenn Deutschland Menschen Schutz garantiert, die verfolgt werden, müssen diejenigen, die diesen Schutz nicht beanspruchen können, wieder zurück in ihre Heimat gehen", sagte der SPD-Politiker der Zeitung. Voraussetzung dafür sei, dass die Heimatländer ihre Landsleute auch wieder zurücknehmen, "daran hapert es noch oft". Im Gegenzug eröffne man legale Wege, damit Fachkräfte aus diesen Ländern nach Deutschland kommen könnten.
Ampel setzt auf Migrationsabkommen
Dafür plant die Ampel-Koalition neue migrationspolitische Maßnahmen. Der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp, warb für Migrationsabkommen mit Partnerländern, die ein Kontingent von regulären deutschen Visa für ihre Bürger angeboten bekommen sollen - unter der Voraussetzung, dass sie Straftäter, Gefährder und illegal nach Deutschland eingereiste Staatsbürger zurücknehmen, also Abschiebungen ermöglichen. "Wir wollen Chancen schaffen, dass sich eine begrenzte und kontingentierte Anzahl regulär für den deutschen Arbeitsmarkt bewerben kann, sofern jene, die es auf eigene Faust versuchen und die hier kein Asylrecht haben, von ihren Herkunftsländern umstandslos wieder aufgenommen werden", sagte der FDP-Politiker der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Zudem kündigte er an, eine Verlagerung von Asylverfahren ins Ausland prüfen zu wollen. Das solle unter Beachtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention geschehen. "Dann würden auf dem Mittelmeer gerettete Menschen für ihre Verfahren nach Nordafrika gebracht werden", sagte Stamp. Das erfordere aber sehr viel Diplomatie und einen langen Vorlauf. Es sei klar, dass etwa ein Land wie Libyen in seinem derzeitigen Zustand dafür kein Partner sein könne, betonte er.
Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP hatten bereits in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, sich "für rechtsstaatliche Migrationsabkommen mit Drittstaaten im Rahmen des Europa- und Völkerrechts" einzusetzen. Hierfür werde man prüfen, ob die Feststellung des Schutzstatus "in Ausnahmefällen" unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention in Drittstaaten möglich ist, heißt es dort.