Wird man im Studium ausreichend auf eine Karriere vorbereitet?
Mayer: Man ist sich am Anfang der späteren Realität eines Berufes nicht bewusst. Im Rückblick sehe ich etliche Sänger, die scheinbar viel begabter waren als ich und nach dem Studium kein Engagement gefunden haben. Feste Engagements sind rar gesät, obwohl wir in Deutschland mit den Ensemblehäusern privilegiert sind. Doch es gibt unheimlich viele Bewerber auf eine Stelle. In kleineren Häusern singen oft fantastische Leute. Man braucht also auch in diesem Beruf viel Glück, muss zur rechten Zeit am rechten Ort sein.
Wie viel Prozent macht bei Ihnen sängerisches Handwerk aus?
Mayer: Handwerk, sprich Technik, ist bei mir auf jeden Fall dabei. Ich arbeite immer noch mit einem Lehrer, habe nie in Erwägung gezogen, das nicht zu tun. Es gibt auch Kollegen, die das nicht brauchen. Ich weiß genau, woran ich weiter zu arbeiten habe. Man ist als Sängerin nie fertig.
Gibt es ein Erlebnis, was Sie zum Gesang getrieben hat?
Mayer: Ich komme nicht aus einer typischen Klassik-Familie. Bei uns hat eher die Volksmusik den Ton angegeben. Die Klassik hat in der Kindheit und Jugend eigentlich keine Rolle gespielt, eher der Kirchen- und Chorgesang. Mit 17 hat mich meine Chorleiterin zur Bayerischen Singakademie geschickt. Da kamen begeisterte junge Leute für Arbeitsphasen in den Ferien zusammen. Das war ein absolutes Initialerlebnis, mit 60 Leuten im Alter von 17 bis 25 zusammen Chormusik zu machen und eine Stimmbildung zu bekommen. Ab da war das Feuer gelegt. Meine besten Freunde stammen aus dieser Zeit.
Richard Wagner zu Singen ist Hochleistungssport. Was fasziniert sie daran so sehr?
Mayer: Es die Verbindung von Text und Melodie, dass man am Wort entlang den Klang produzieren kann. Das ist mir sehr vertraut, auch durch meine Ausbildung. Bei Wagner muss ich nicht lange nachdenken, wie ich Phrasen entwickeln kann.
Was schätzen Sie am Liedgesang?
Mayer: Da gibt es eine große Intimität. Im vergangenen Sommer habe ich in der Villa Wahnfried gesungen, vor 150 Leuten. Man konnte jeden einzelnen anschauen. Das sind wunderbare Momente. Auch das Publikum kann sich bei einer solchen Gelegenheit mal länger auf eine Stimme einlassen und sie in verschiedenen Farben erleben. Das ist eine tolle Sache, wie ein Wannenbad. Oper ist dagegen für den Zuhörer manchmal wie ein Whirlpool.
Ist es für Sie ein Problem, wenn sich der Regisseur weit vom Werk entfernt?
Mayer: Das ist nicht immer einfach. Es passiert leider selten, dass ein völlig umgedrehtes Stück am Ende noch stimmig ist. Bei den Proben kann man dennoch viel lernen. Gute Regisseure zeigen einem für sechs Wochen eine andere Welt. Als zum Beispiel Sebastian Baumgarten in Dresden inszenierte, bin ich mit anderen Augen und neuen Eindrücken durch die Straßen gelaufen. Ich will mit jungen Regisseuren nicht zu hart ins Gericht gehen. Aber manches ist mir zu sehr auf Außenwirkung bedacht, hier noch ein Video und da noch ein Effekt. Die Leistung des Sängers, die Beziehung der Figuren, verkommt so zur Nebenrolle. Das finde ich traurig. Wenn das Normalität wird, weiß die nächste Generation von Regisseuren gar nicht mehr, dass es auch anders geht.
Zur Person
Christa Mayer stammt aus Sulzbach-Rosenberg in der Oberpfalz und hat als Mezzosopranistin international Karriere gemacht.