Thema "Volkes Stimme": Wenn Politiker Bürger befragen

Von Peter Rauscher

Mehr Demokratie wagen ist eine mühsame Sache in Bayern. Dabei sah das noch ganz gut aus nach der Landtagswahl. Da gab sich der strahlende Wahlsieger Seehofer trotz absoluter Mehrheit im Landtag demütig und versprach die Einführung landesweiter Volksbefragungen. Doch nun hat das Ringen darum begonnen, wer denn die Bürger überhaupt befragen sollen darf:

 
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Der Regierungschef selber? Dann würde der Landtag rasch überflüssig, weil Seehofer noch mehr an ihm vorbeiregieren könnte. Die CSU-Landtagsmehrheit? Die kann jedes Gesetz selber beschließen und braucht dazu kein Bürgervotum. Oder die Opposition mit nur 20 Prozent der Landtagsmandate, wie die SPD jetzt bauernschlau vorschlug? Dann könnten die schwachbrüstigen Sozialdemokraten die Schwarzen im Freistaat endlich mal das Fürchten lehren. Dass das so kommen wird, glauben sie nicht mal selber.

Wozu also Volkes Stimme hören in einem Land, das Volksbegehren und -entscheid in der Verfassung verankert hat? Die Antwort ergibt sich aus dem Fallbeispiel dritte Münchner Startbahn. Die ist von ansässigen Bürgern bekanntlich per Bürgerentscheid gestoppt worden und liegt auf Eis – sehr zum Ärger der CSU-Staatsregierung. Eine landesweite Volksbefragung könnte, mit der geeigneten Fragestellung und gut vorbereitet, so einen lästigen Bürgerentscheid zwar rechtlich nicht gleich aushebeln, aber politisch wohl den Weg zur möglichst schnellen Korrektur ebnen. Nach dem Motto: Landesvotum schlägt Regionalvotum.

Schön ausgedacht: Ein demokratisches Instrument als Waffe gegen ein anderes demokratisches Instrument. Die „Koalition mit dem Bürger“, die Seehofer ausgerufen hat, ist offenbar eine zweischneidige Angelegenheit. Und mehr Demokratie eine mühsame Sache.