Mehr Befugnisse für Gesundheitsämter Bayern steuert bei Corona-Regeln für Schulen um

Von Elke Richter
Foto: picture alliance/Uli Deck/dpa/dpa-tmn Quelle: Unbekannt

MÜNCHEN. Die eigentlichen Vorgaben sind längst von der Realität überholt: Angesichts rasant gestiegener Fallzahlen gilt der ursprüngliche Stufenplan der Staatsregierung für den Infektionsschutz an Schulen im eigentlichen Sinne nicht mehr. Um die Schulen im Freistaat weiterhin geöffnet zu halten, sollen die Gesundheitsämter noch stärker als bislang individuell über Schulschließungen oder andere Schutzmaßnahmen entscheiden.

 
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Grundsätzlich gelte die ausgerufene Linie, dass der Unterricht so lange wie möglich in den Klassenzimmern stattfinden sollte, sagte Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) nach dem Schulgipfel am Mittwoch. „Abweichungen vom Präsenzunterricht kann das Gesundheitsamt bei schwerwiegendem Infektionsgeschehen an den Schulen anordnen.“ Im Klartext: Der eigentlich geltende Stufenplan, der schon seit Wochen immer stärker aufgeweicht wurde, wird mehr oder weniger offiziell ad acta gelegt. Er sah vor, dass bei mehr als 35 beziehungsweise 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen einer Woche klare Schritte folgen, von denen nur in begründeten Ausnahmen Abstand genommen werden sollte.

Doch nachdem der Inzidenzwert in weiten Teilen Bayerns inzwischen weit über 100 liegt, sollen nun die Gesundheitsämter vor Ort nach einer einheitlichen, aber an die örtlichen Gegebenheiten angepassten Linie entscheiden. Und unabhängig von den Zahlen des jeweiligen Landkreises oder der jeweiligen Stadt nur dann einzelne Klassen oder gar eine ganze Schule nach Hause schicken, wenn es in der Schule selbst einen Infektionsfall gibt. Zuletzt gab es immer wieder Kritik daran, dass die Behörden bei gleicher Lage völlig unterschiedliche und somit nicht nachvollziehbare Entscheidungen getroffen hatten. Schon im Vorfeld des Gipfels hatte es viel Kritik an der Schulpolitik des Freistaats gegeben. Die Bildungsgewerkschaft GEW Bayern betonte per Mitteilung: „Es kann nicht sein, dass die Corona-Bekämpfung an den Schulen inkonsequent umgesetzt wird, nur weil man ein System künstlich am Laufen halten will, das in Wahrheit bereits zusammengebrochen ist.“

Teilnehmer am Gipfel, zu dem neben mehreren Kabinettsmitgliedern auch Vertreter der Lehrer-, Direktoren-, Eltern- und Schülerverbände sowie der kommunalen Spitzenverbände eingeladen waren, berichteten von einer angespannten, aber konstruktiven Stimmung. Die Ergebnisse der als Arbeitstreffen ausgerufenen Veranstaltung bewertete Michael Schwägerl vom Bayerischen Philologenverband jedoch verhalten: „Die Sorge bleibt, dass die Maßnahmen, die jetzt getroffen wurden, nicht ausreichen, um das Pandemie-Geschehen in den Griff zu kriegen.“

Die Lehrerverbände treibt vor allem der Gesundheitsschutz um. Sie fordern auf breiter Front FFP2-Masken für die Lehrkräfte, die besser vor einer Ansteckung schützen als die herkömmlichen Alltagsmasken. Immerhin habe Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Gespräche in diese Richtung signalisiert, hieß es. Eltern- und Schülerverbände hatten im Vorfeld des Treffens zudem einen hohen Leistungsdruck beklagt: Viele Schulen hätten bewusst viele Leistungsproben angesetzt, um vor einer drohenden Schulschließung noch möglichst viele Noten erheben zu können. Dieses Problem soll nach Angaben des Kultusministeriums inzwischen aber gelöst sein.

Breiter Konsens in der Runde war nach Teilnehmerangaben, dass dieses Schuljahr kein normales sein werde und der Lehrplan entsprechend angepasst werden müsse. Zwar soll das Leistungsprinzip nicht komplett aufgegeben, aber doch der Situation und den Möglichkeiten angepasst werden – was auch heißt, dass im Laufe der Monate Übertritte und Abschlussprüfungen in den Blick geraten dürften. „Wir sind für so viel Unterricht live wie möglich, bei größtmöglicher Sicherheit und Klarheit. Aber die Gesundheit der Schüler und Lehrer geht vor“, betonte die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, Simone Fleischmann. „Und wir bitten, die Erwartungshaltungen runterzuschrauben. Sonst zerreißt es uns bei dem Druck, den wir vor Ort erleben, und zwar sowohl die Lehrer als auch die Kinder und die Eltern.“

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