Mebis, Mail und Matheseiten Wie Schüler trotz Corona lernen

Von Cordula Dieckmann,
Die 14 Jahre alte Lilli hat auf einem Laptop die Lernplattform "mebis" für bayerische Schulen geöffnet. Mit dieser Anwendung können Kinder auch bei Schulschließungen digital unterrichtet werden. Foto: Stefan Puchner/dpa Quelle: Unbekannt

MÜNCHEN. Mathe, Chemie oder Französisch - Kinder und Jugendliche müssen trotz geschlossener Schulen weiter lernen. Helfen soll dabei das Internet, wenn auch der digitale Fernunterricht noch Macken hat. Also doch wieder das gute alte Schulbuch?

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Die Versuchung für Schülerinnen und Schüler ist groß: Ausschlafen, zocken und später mit Freunden abhängen - virtuell natürlich. Doch Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) stellte schon vor ein paar Tagen klar: «Es sind keine Ferien». Und so sollen die Schüler bis zu den Osterferien lernen, als säßen sie im Unterricht.

Kein leichtes Unterfangen, denn die schöne digitale Lernwelt hat ihre Macken. «Aktuelle Überlastung» meldet die bayerische Online-Lernplattform Mebis immer wieder den Kindern und Jugendlichen, die sich dort einloggen wollen. Am Montag gab es sogar einen Hackerangriff und auch am Dienstag war es schwierig. Das Kultusministerium erklärte, am Ausbau und der Optimierung werde gearbeitet.

«Das System wurde nie gebaut für diese Situation», sagt der Rektor des Gymnasiums Ottobrunn, Achim Lebert. Er kennt sich mit neuen Lernformen aus. Sein Gymnasium nennt sich digitale Schule 2020, seit 2016 bietet es Laptopklassen im Modellversuch. Während manch andere Schüler kurz vor den corona-bedingten Schulschließungen noch schnell mit Mebis-Passwörtern versorgt wurden, sind die Ottobrunner an den Umgang mit der Lernplattformen gewöhnt, wo sie Arbeitsblätter, Videos, alte Prüfungsaufgaben und vieles mehr abrufen können. 

Chance für Digitalisierung des Unterrichts

Lebert sieht die Situation als Chance, um die Digitalisierung des Unterrichts in Bayern weiter voranzutreiben. Für viele junge Lehrer sei das die Zukunft. «Das wird nicht aufhören, falls die Schulen im April wieder öffnen», glaubt er. Gerade würden viele Erfahrungen gesammelt, es werde vieles ausprobiert. «Da werden neue Lösungen rauskommen, von denen wir derzeit noch gar keine Ahnung haben.»

Multimediale Angebote gibt es schon einige, auch Lern-Apps für Smartphones, schulische Angebote im Fernsehen, Mathe-Übungsseiten oder Erklärvideos im Internet, mit denen sich Schüler schon lange Fächer wie Chemie oder Mathe erklären lassen. 

Doch digital ist nicht alles, darauf verweist Benedikt Karl vom Bayerischen Philologenverband. «Es kann nicht heißen: Mebis geht nicht, dann habe ich frei.» Er empfiehlt auch analoge Lernmethoden. «Es schadet nichts, sich mal eine Stunde mit dem Schulbuch hinzusetzen.» Da sei zudem das Ablenkungspotenzial nicht so groß. 

Weil Mebis seine Tücken hat, verschicken viele Lehrer Arbeitsaufträge momentan per E-mail, auch an Grundschüler. «Den Sandwich-Rap lernen», bittet eine Viertklass-Lehrerin. Eine Lateinlehrerin gibt Fünftklässlern Tipps, wie sie den Lerntag gestalten können. Und in Mathe gibt ein Lehrer seiner Klasse Aufgaben für zwei Stunden auf mit dem Hinweis «Plane Pausen ein!». Noch hoffen viele Schulen, dass sie die Schulaufgaben, die Ende April angesetzt sind, auch schreiben können, wenn auch mit abgespecktem Stoff. 

Warnung vor Lernstopp

Das ifo Institut in München warnt sogar vor einem Lernstopp. «Die erzielten Lernergebnisse bestimmen, ob die Schülerinnen und Schüler gut für die zukünftigen Herausforderungen vorbereitet sind», sagt Ludger Wößmann vom ifo Zentrum für Bildungsökonomik. «Das Jahr 2020 darf nicht als das verlorene Jahr in die Bildungsgeschichte der betroffenen Kinder und Jugendlichen eingehen.» 

Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), sieht das nicht ganz so dramatisch. Man könne nicht erwarten, dass die Mama oder der Papa jetzt zu Lehrern würden. Das sei auch den Schulen klar. In ein paar Wochen die Schule wieder öffnen und einfach weiter im Stoff machen? Eher nicht, auch weil es Familien in schwierigen Verhältnissen gibt, in denen niemand die Kinder zum Lernen anhält und die nicht einfach vom Rest der Klasse abgehängt werden dürfen. Die Lehrer müssten deshalb dann erst mal den Lernstand der Kinder überprüfen, sagt Fleischmann. 

Einfach in den Tag hineinleben, davon hält die Pädagogin dennoch nichts. Ihr Rat: Eltern sollten den Tagen eine Struktur geben und die Schüler dazu motivieren, ihre Aufgaben zu machen. Mit Grundschülern sollten sie lesen, schreiben und rechnen üben, damit sie im Training bleiben.

Und sonst? Nicht nur an Schule denken, sondern etwas zusammen unternehmen, kochen, Bücher lesen, ein Brettspiel rausholen oder am Computer spielen. Lebenskompetenz vermitteln, nennt Fleischmann das und empfiehlt, in den drei Wochen bis zu den Osterferien entspannt zu bleiben: «Drei Wochen Unterricht weniger werden das Lebensglück eines Kindes nicht gefährden».

Autor

Bilder