Lange Jahre hat man die Geschicke einer Gemeinde gelenkt, hat gestaltet und Herzblut geopfert. Und dann ist die Zeit vorbei. Wir fragten Ex-Bürgermeister aus der Region, wie sie den Wechsel verkraftet haben.
Der Heinersreuther Ex-Bürgermeister Hans Dötsch mischt weiter in der Heinersreuther Politik mit. Viele andere ehemalige Bürgermeister haben sich hingegen ins Private zurückgezogen. Der Kurier wollte wissen, wie es ihnen geht – und warum Menschen so unterschiedlich mit der Machtabgabe umgehen.
Lange Jahre hat man die Geschicke einer Gemeinde gelenkt, hat gestaltet und Herzblut geopfert. Und dann ist die Zeit vorbei. Wir fragten Ex-Bürgermeister aus der Region, wie sie den Wechsel verkraftet haben.
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José Ricardo Castro-Riemenschneider: „Ich bin rundum glücklich“, sagt der Fichtelberger Ex-Bürgermeister. „Ich habe zwei tolle Enkelkinder und kann endlich mehr Zeit für meine Familie aufbringen.“ Die Arbeit im Rathaus fehle ihm nicht: Er könne Dinge jetzt bequemer erledigen, vorher habe er vieles erst spät abends machen können. Seinen Nachfolger Georg Ritter unterstütze er, wo er könne. Beurteilen will er dessen Arbeit nicht: „Das steht mir nicht zu. Jeder hat das Recht, seinen eigenen Weg zu gehen.“
Günther Pfändner: Der Wonseeser Ex-Bürgermeister vermisst die Arbeit nicht, „ich bin aber auch nicht froh, dass sie zu Ende ist“. Wenn man 36 Jahre lang Lokalpolitik gemacht habe, „hat man auch viel Herzblut reingehängt“. Sein Nachfolger mache seine Sache aber sehr gut. In ein Loch sei Pfändner nach dem Ende seiner Amtszeit nicht gefallen. „Ich habe mich drei Jahre lang auf den Abschied vorbereitet, dann ging das.“ Jetzt könne er sich endlich intensiver um seine Metzgerei kümmern.
Reinhard Sammer: „Es gibt noch ein Leben nach dem Amt “, sagt der ehemalige Geseeser Bürgermeister. Mit Ende seiner Tätigkeit habe er auch all seine sonstigen Ämter abgelegt. „Wenn ich als Bürgermeister aufhöre, warum sollte andere Ämter behalten?“ Er habe mit dieser Zeit abgeschlossen, vorbei sei vorbei. „Wenn ich etwas vermissen würde, hätte ich nicht aufgehört.“
Andreas Voit: Der ehemalige Bürgermeister von Warmensteinach arbeitet jetzt wieder als Standesbeamter – in Bad Berneck. Dort kann er sogar sein Herzensprojekt, die Motorradhochzeit, weiterführen. „Mir taug’s wie es momentan ist“, sagt er. Auf seine Zeit als Bürgermeister blickt er mit gemischten Gefühlen zurück: „Es gab schöne, aber auch weniger schöne Zeiten.“ Vor allem sei er froh, endlich den Stress losgeworden zu sein. „Jetzt komme ich wenigsten zu geordneten Zeiten nach Hause.“ Er sei weiterhin kommunalpolitisch interessiert, ist mittlerweile Mitglied der Fichtelberger CSU. „Manche Ämter gibt man ab, manche bekommt man neu dazu, mir wird sicher nicht langweilig.“
Hans Unterburger: „Ich habe mir den Wechsel schlimmer vorgestellt“, sagt der Ex-Bürgermeister von Seybothenreuth. „Aber ich habe einen Bruch gemacht und die Sache war erledigt.“ Jetzt habe er endlich Zeit für Familie und Hobbys: „Ich konnte jahrelang nicht fischen gehen, jetzt gehen wir auch mal wandern oder Pilze suchen.“ So richtig wüscht er sich sein Amt deshalb nicht mehr zurück: „Nochmal fünf Jahre würde ich aushalten, aber ich bin froh, dass ich fertig bin.“
Herbert Dannhäußer: Der ehemalige Ahorntaler Bürgermeister genießt es, keine Verpflichtungen mehr zu haben: „Endlich kann ich meine Zeit gestalten, wie es mir gefällt.“ Er habe sich bewusst dafür entschieden, nach dem Ende seiner Amtszeit kürzer zu treten, was vor allem an seinem Alter liege. Dannhäußer ist 68 Jahre alt. Er sagt aber auch: „Wenn man über 26 Jahre als ehrenamtlicher Bürgermeister tätig war, hat man seinen Soll erfüllt.“ Nach Ende seiner Amtszeit habe er sich verschiedenes vorgenommen, unter anderem, mit seiner Frau die Welt zu entdecken. Und damit habe er auch schon angefangen. „Wir waren schon im gesamten östlichen Mittelmeerraum, als nächstes planen wir eine Reise zur Mandelblüte nach Mallorca.“
Luise Goldfuß: Der ehemaligen Plankenfelser Bürgermeisterin hört man ihre gute Laune am deutlichsten an. „Ich relaxe viel“, sagt sie. „Man hätte noch viel machen können, aber zurückwünschen würde ich mir das Amt nicht.“ Natürlich habe sie Angst gehabt, dass sie nach Amtsende in ein Loch falle, „weil ich ja schon immer so viele Ehrenämter gemacht habe“, aber das sei kein Problem gewesen. Was daran liegen könnte, dass sie weiterhin im Kreistag, im Klinikumaufsichtsrat, und im Verbandsausschuss der Therme sitzt. Im Gegensatz zu früher basiere das alles aber auf Freiwilligkeit. „Ich habe jetzt erst festgestellt, wie schön es ist, wenn man nicht immer unter Druck steht.“
Peter Merkl: „Mir geht es bestens“, sagt der Ex-Bürgermeister von Immenreuth. Und das, obwohl seine Abwahl recht überraschend kam: „Ich hätte mein Amt gerne noch weitergemacht, aber ich bin froh, dass ich in meinen alten Beruf zurückkehren konnte.“ Obwohl er sein Gemeinderats-Mandat abgelehnt habe, sei er nicht in ein Loch gefallen. „Ich habe mich mit der Frage auseinandergesetzt, woran das Wahlergebnis gelegen haben könnte. Und dann habe ich das Thema für mich abgeschlossen.“
Theresia Volk (52) lebt in Waltenhofen im Allgäu. Sie berät unter anderem Top-Manager in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Können Politiker, Firmenchefs oder Vereinsvorsitzende, die Macht und Verantwortung abgeben, einfach aufhören?
Theresia Volk: Es gibt drei Phasen im Leben erfolgreicher Menschen. Die erste ist, es zu etwas zu bringen. Die zweite ist, die Position zu halten. Die dritte ist, in Würde zu gehen. Dafür braucht man jeweils andere Kompetenzen. Viele schaffen die Übergänge nicht, weil sie dafür etwas Neues lernen müssten und das nicht können oder wollen.
Sind bestimmte Menschen besonders betroffen?
Volk: Menschen haben verschiedene Grundmotivationen, zum Beispiel den Wunsch nach Erkenntnis, Beziehungen – oder eben Macht und Gestaltung. Wenn man Macht als Grundmotivation versteht, kann man nicht so einfach damit aufhören. Das heißt nicht, dass nur Menschen mit Freude an der Macht in Machtpositionen kommen. Sie kommen nur besonders schwer wieder davon los.
Angenommen, meine Motivation ist Macht. Was muss ich tun, um in Würde gehen zu können?
Volk: Sie müssen verstehen, dass sich Ihre Rolle geändert hat. Oft fühlen sich Menschen im Nachhinein noch für das verantwortlich, was sie vorher gemacht haben. Da fehlt die Erkenntnis, dass sie nun eigentlich den Nachfolger stützen müssten – indem sie ihm Platz machen. Sie müssen aber auch trauern können. Das Abgeben der Macht ist ein Abschied, aber bei uns gilt: Höher, weiter, schneller bis ins höchste Alter. Je klarer man sich am Ende verabschiedet, desto leichter kann man gehen.
Können Umstehende dabei helfen?
Volk: Wir gehen immer davon aus, dass die Macht von Einzelnen ausgeht, aber die neueste Forschung sieht sie eher als Feld, in dem es Abhängigkeiten und Verpflichtungen gibt. Wenn die Funktion wegfällt, ist das alte Machtfeld oft noch da. Viele lassen sich dann einfach in eine andere Position hieven, damit sie nicht aufhören müssen. Sehr viele neue Chefs bauen deshalb im ersten Jahr ihre Mannschaft um und besetzten sie mit eigenen Weggefährten. Tut man das nicht, bleibt der Ex-Chef der heimliche Schattenchef. Da sagt der Neue was und alles guckt, ob der Alte seinen Segen dazu gibt, und je nachdem verhält man sich.
Das Machtfeld hilft also nicht. Kann die Familie etwas tun?
Volk: Der Ehepartner muss Mitgefühl zeigen, aber dem Betreffenden auch in den Hintern treten und sagen: Hör auf, dich für etwas verantwortlich zu fühlen, für das du nicht mehr verantwortlich bist. Sonst wird der Betreffende weitermachen, bis es kracht. Das ist tragisch, weil das Lebenswerk im Nachhinein beschädigt wird, obwohl man in seiner Funktion sehr gut war.
Alexander Brink (45) lebt in Bayreuth. Er ist Professor für Wirtschafts- und Unternehmensethik an der Universität Bayreuth.
Können Politiker, Firmenchefs oder Vereinsvorsitzende, die Macht und Verantwortung abgeben, einfach aufhören?
Alexander Brink: Das hängt davon ab, ob Sie in Ihrer Funktion glaubwürdig waren. Wenn Sie Ihre private Persönlichkeit im Beruf „durchhalten“ konnten, haben Sie keine Probleme. Schwierig wird es, wenn Sie zu Hause zum Beispiel fürsorglich sind, im Beruf aber egoistisch. Wenn Sie dann Ihre Machtposition verlieren, verlieren sie zugleich einen Teil Ihrer Persönlichkeit. Ihr Umfeld nimmt Sie dann als „anders“ war – was zu Konflikten führen kann.
Was tut man in diesem Fall?
Brink: Es gibt zwei Strategien. Entweder, man hört langsam auf, übernimmt vielleicht noch ein Ehrenamt oder erhält sich ein Beratungsmandat. Oder man legt alle Ämter nieder, kappt sämtliche beruflichen Netzwerke und zieht sich ins Private zurück. Für Menschen, die nicht loslassen können, ist das die bessere Strategie. Dann sollten Sie aber vorsorgen und sich ein Hobby und private soziale Kontakte zulegen, sonst fallen Sie in ein Loch.
Gibt es den Typus des Machtmenschen überhaupt noch?
Brink: Früher haben Machtmenschen ein dickes Auto gefahren, heute gibt es immer mehr, die sagen: Ich will Autos lieber nutzen statt sie zu besitzen. Die zentrale Macht wird durch die dezentrale Macht der Masse ersetzt. Jeder trägt Verantwortung für sich selbst, die Gesellschaft und die Umwelt.
Das Thema unserer Zeit ist also Verantwortung statt Macht?
Brink: Thema ist der Unterschied zwischen sozialer und politischer Verantwortung. Oft haben Machtmenschen nie gelernt, soziale Verantwortung zu übernehmen, weil sie nur ihre eigene Karriere verfolgt haben. Im Gegenzug haben die Leute, die heute viel soziale Verantwortung übernehmen, kaum Macht. Nehmen Sie die sozialen Berufe, etwa die Pflege. Das ist eine Arbeit mit Menschen, die sehr stark auf Sie angewiesen sind. Eine verantwortungsvollere Position gibt es nicht. Und eine machtlosere auch nicht. Das müssen wir ändern, indem wir den anderen in seiner Andersartigkeit anerkennen und wertschätzen. Wir brauchen keine Macht-, sondern eine Verantwortungselite.
Nicht gut für den Machtmenschen. Wie kann er attraktiver werden?
Brink: Das Beste ist, sich klar zu machen, dass er eigentlich keine Macht besitzt: Als Politiker vertritt er die Interessen der Bevölkerung. Das klingt sehr einfach, gelingt aber kaum jemandem, weil die Macht von oben von den meisten Machtmenschen höher bewertet wird. Damit steigern Sie allerdings maximal die Attraktivität für sich selbst, nicht für andere.