Hier entstand vor über 400 Jahren ein Hochofen, später eine Glasschmelze, hier war das Bergamt. Das Ende des Bergbaus in Fichtelberg war auch der Beginn einer Firma, die 120 Jahre lang, bis 1998 bestand: das Schamottewerk Heinrich Lindner.

Produkte gingen um die ganze Welt

Mit rund 30 Mitarbeitern gehörte das Schamottewerk nie zu den größten Arbeitgebern Fichtelbergs. Aber seine Produkte gingen in die ganze Welt und waren Grundlage für die Glasherstellung: Glasschmelzhäfen, die aus einer Masse aus rohem und gebranntem Ton sowie weiteren Mineralien hergestellt wurden. Und die extrem hohe Temperaturen aushalten mussten.

Eine extrem staubige Arbeit, wie sich zweiter Bürgermeister Karl-Heinz Glaser (73) erinnert, der als junger Kerl hier in den Ferien jobbte: „Es hing so viel Staub in der Luft, dass man denken konnte, in der Fabrik brennt es.“ Wer am Mahlwerk zu tun hatte, war am Ende des Arbeitstages komplett weiß. Manche Arbeiter banden sich einen feuchten Schwamm vor Mund und Nase, andere waren schmerzfreier. „Und geraucht hat damals auch jeder“, so Glaser schmunzelnd. Glaser erinnert sich an den Betriebsleiter Franz Achatz. Ein Vollblutturner, der mitunter außen am 20 Meter hohen Kamin hochkletterte und auf der obersten Sprosse einen Handstand machte. Vom Kamin steht heute nur noch ein gut zwei Meter hoher Stumpf.

Gasthof Specht ist ein kleines Museum für das Werk

Länger und enger verbunden mit dem Schamottewerk war Marianne Specht (75). Die Neubauer Gastronomin und Gemeinderätin kam 1959 als Lehrmädel ins Büro von Lindner. Sie lernte Industriekauffrau, „machen musste ich alles“. 1967 fiel ihr eine besondere Aufgabe zu: Zum 100-jährigen Bestehen der Firma musste sie die Chronik verfassen. Seither weiß sie unter anderem, dass die Immobilien der Firma aus einer Versteigerung hervorgingen, als das Bergamt in Fichtelberg aufgelöst wurde. Dass Firmengründer Heinrich Lindner nicht nur der beste Steuerzahler im Ort war, sondern auch für den Bahnanschluss oder neue Glocken für die Kirche sorgte. Und praktisch jedem seiner Mitarbeiter eine Betriebswohnung stellte.

Und ihren gleichnamigen Gasthof hat Marianne Specht auf dezente Weise in ein kleines Museum für ihre einstige Firma verwandelt. Schmiedeeiserne Stücke hat sie vor dem Schrott bewahrt. Im Garten liegen die beiden Mahlsteine, die per Wasserrecht von der Fichtelnaab, später elektrisch angetrieben wurden. Nur einen der alten Glashäfen, aufgestellt im Eingangsbereich, musste sie unter Glas stellen: „Die Leute dachten, das sei ein Schirmständer.“

Sollte auch mal zum Schloss werden

Wie geht es weiter mit dem Herrenhaus? Vor vier Jahren kaufte die Gemeinde das Areal. In „konstruktiven Gesprächen mit der Regierung“, so zweiter Bürgermeister Glaser, konnte eine hohe Förderung erreicht werden. Doch für was? Da soll ein moderierter Workshop voraussichtlich in Oktober erste Antworten geben. Dann haben auch die Bürger das Wort. Doch nicht nur Architekten und Bauarbeiter dürften sich bald mit dem Gemäuer befassen. Es birgt auch sonst noch Geheimnisse. Wann genau und von wem wurde das Herrenhaus gebaut? Was war die ursprüngliche Nutzung? Ist das „Kanzleigebäude“ aus den alten Versteigerungsprotokollen das Herrenhaus, wie Marianne Specht glaubt? Oder das heutige Bräuhaus, wie Frank Unterburger überzeugt ist. Er hat sich mit der Historie des Ortes befasst. Und ist sich ziemlich sicher: Das Bergamt war früher im Bräuhaus. Und das Herrenhaus entstand im 19. Jahrhundert. Und er weiß von einem fantastischen Plan: 1903 sollte das Herrenhaus zu einem „Schloss“ ausgebaut werden. Schloss oder kein Schloss: Heute steht das Herrenhaus unter Denkmalschutz.

 


Lost Places, oder auch „vergessene Orte“, sind Bauwerke der jüngeren Geschichte, die im Kontext ihrer ursprünglichen Nutzung in Vergessenheit geraten sind. Der Kurier hat einige dieser Orte aufgespürt und erzählt ihre Geschichte. Alle Gebäude und Grundstücke wurden mit dem Einverständnis der Eigentümer betreten. Um die ganz besondere Atmosphäre dieser verlassenen und oft vergessenen Gebäude einzufangen, werden die Fotos in der digitalen HDR-Technik aufgenommen.

HDR steht für High Dynamic Range – zu deutsch: Bild mit hohem Dynamikumfang. Hierzu werden – je nach den jeweiligen Lichtverhältnissen – Belichtungsreihen mit mindestens drei Aufnahmen von einem Motiv gemacht. Die Einzelaufnahmen werden dann am Computer mit einer speziellen Software zu einem Bild zusammen gefasst. Die natürlichen Farben verstärken sich dabei und es entsteht die besondere Lichtstimmung in den Fotos.

Es gehört darüber hinaus zum Ethos der Lost-Place-Fotografie, dass in den verlassenen Gebäuden nichts verändert wird. mx