Lösche-Prozess Spanische Expertinnen erläutern ihre Erkenntnisse

Von Manfred Scherer
Spanische Polizisten sichern den Fundort der Leiche von Tramperin Sophia Lösche nahe der Autobahn bei Asparrena. Foto: Jesus Andrade/El Correo Foto: dpa

BAYREUTH/PLECH. Zwei Frauen haben Sophia Lösche einen letzten Dienst erwiesen: Die Gerichtsmedizinerinnen, die den Leichnam der 28-Jährigen in Spanien untersuchten, haben am Mittwoch im Schwurgericht in Bayreuth ihre Erkenntnisse erläutert. Nach ihrem Gutachten sagt der wegen Mordes angeklagte Fernfahrer nicht die ganze Wahrheit.

 
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Zwei spanische Gerichtsmedizinerinnen im Saal zugeschaltet

Die Expertinnen aus Spanien waren nicht in Bayreuth. Zu sehen und zu hören waren die Gutachterinnen dennoch, nämlich mittels einer Videoübertragung. Sowohl im Bayreuther Schwurgerichtssaal als auch in dem Büro eines für Rechtshilfeverfahren zuständigen spanischen Staatsanwalts waren jeweils ein Spanisch-Deutsch-Dolmetscher zugegen.

Die zwei Gerichtsmedizinerinnen aus dem Gerichtsbezirk der Stadt Vitoria/Gasteiz (etwa 70 Kilometer südlich von Bilbao) hatten den Leichnam von Sophia Lösche zunächst am Fundort nahe einer Tankstelle und dann bei der Obduktion untersucht. Wie berichtet, war Sophia Lösche, die am 14. Juni am Schkeuditzer Kreuz in den Laster des Angeklagten gestiegen war, am 21. Juni vergangenen Jahres tot in einem Gebüsch neben einer Zufahrtsstraße zu der Tankstelle in Nordspanien gefunden worden – was auch durch detaillierte GPS-Aufzeichnungen bestätigt wird. Der wegen Mordes angeklagte Fernfahrer Boujeema L. hatte den Leichnam dort nach seinem Geständnis am 18. Juni aus seinem Laster geschafft, den in Müllsäcke gepackten Körper dort abgelegt und versucht ihn zu verbrennen.

Brandspuren an den Beinen

Die Untersuchungen der spanischen Expertinnen bestätigte: Der Körper war mit Plastik verhüllt. An den Beinen des Leichnams fanden sie Brandspuren. Am Tag des Leichenfundes nahmen die Gerichtsmedizinerinnen die Leichenschau in einem Zelt vor Ort vor, die Obduktion fand am 22. Juni statt.

Die Expertinnen stellten als Todesursache ein Schädel-Hirn-Trauma fest, aufgrund von Gewalteinwirkung gegen den Kopf. Das passt zu dem Geständnis des Angeklagten, der zugegeben hat, die Anhalterin auf dem Autobahnparkplatz Sperbes erschlagen zu haben. Auch für die von dem Angeklagten vorgetragenen zwei Tatphasen gibt es eine Bestätigung: Die Verletzungen am Kopf seien in einem – wenngleich kurzen – zeitlichen Abstand verursacht worden, von den spanischen Obduzentinnen als „Sequenzen“ bezeichnet.

Für die Behauptung des Angeklagten, er habe Sophia Lösche nicht vergewaltigt, spricht dies: Ein von den Obduzentinnen eingeschaltetes Institut für feingewebliche Untersuchungen in Madrid habe kein Sperma am Leichnam feststellen können.

Zwei unterschiedliche Werkzeuge benutzt

Was aber nicht zum Geständnis des Angeklagten passt: Die Nachfrage des Nebenklägers und Bruders des Opfers, Andreas Lösche, ergab die Einschätzung der Obduzentinnen, dass die Kopfverletzungen von zwei unterschiedlichen Werkzeugen verursacht worden sein dürften. Eine erste Verletzung sei von einem glatten, stumpfen und breiten Gegenstand verursacht worden und habe zur Bewusstlosigkeit geführt. Eine zweite Verletzung mit Knochenabsplitterungen am Schädel sei tödlich gewesen. Die Obduzentin Monika Diaz Dolores sagte: „So denken wir, dass es passiert ist: Die erste Sequenz führte zur Bewusstlosigkeit. Die zweite Sequenz zum Tod.“

Wie berichtet, behauptet der Angeklagte, bei beiden Tatabschnitten mit demselben Werkzeug zugeschlagen zu haben, einem Radmutterschlüssel, der aussieht wie ein Eisenrohr mit einem Sechskant am Ende. Boujeema L. behauptet weiter, den Schlag in der zweiten Phase deshalb ausgeführt zu haben, weil er bei seiner Rückkehr zu dem Laster darüber erschrocken sei, dass Sophia Lösche ihm beim erneuten Öffnen der Fahrertüre eine Hand entgegengestreckt und den Kopf gehoben habe. Laut den spanischen Obduzentinnen jedoch müsste Sophia Lösche schon nach Beibringen der ersten Verletzung bewusstlos gewesen sein.

Obduktionsergebnisse werden noch abschließend interpretiert

Zusammengefasst könnte das spanische Obduktionsergebnis heißen: Das Opfer wurde bewusstlos geschlagen und erst danach getötet. So gesehen, wäre das ein Mord. Abschließend festgestellt sind die Obduktionsergebnisse und vor allem die daraus zu ziehenden Schlüsse aber noch nicht: Die Erkenntnisse aus Spanien soll der Erlanger Rechtsmediziner Professor Stephan Seidl im weiteren Prozessverlauf einordnen und interpretieren. Seidl war während der Beweisaufnahme in Bayreuth die meiste Zeit anwesend, hat die Erklärungen des Angeklagten gehört und soll beurteilen, ob der von Boujeema L. behauptete Tathergang mit den Obduktionsergebnissen kompatibel ist.

Der nächste Prozesstermin ist der 12. August.

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