Live-Action-Roleplay Schwertkämpfe auf den Feldern der Ehre

Von Barbara Struller

MORSCHREUTH. Hinter dem Pallisadenzaun eröffnet sich eine andere Welt: Ein Zeltlager, ja – aber kein normales Zeltlager. Die Kinder und Jugendlichen tragen nicht etwa Shorts und T-Shirt, sondern einen Wappenrock, Kappe und Waffen. Eine Woche lang spielen sie einen Fantasie-Charakter, dürfen ein Magier sein. Ein Waldläufer. Ein Krieger. Oder ein Heiler.

 
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Die grüne Wiese steigt zum Waldesrand leicht an, im Schatten und Schutz der Bäume stehen die Zelte: Das Ordenszelt, vor dem eine Fahne mit einem geflügelten Drachen weht. Die Kommandantur. Die schlichten Gruppen-Zelte der Rekruten. Vereinzelte, knorrige Obstbäume stehen auf dem Gelände, das zu zwei Seiten von hohen Pallisadenzäunen mit Wehrtürmen begrenzt wird. In der Mitte eine Art Jurte, wo ein kleines Feuer lodert. Langsam klettert an diesem Vormittag die Sonne über die Baumwipfel, ein leises Blöken von Schafen ist zu vernehmen, irgendwo klappert Besteck und Geschirr. Sonst ist es ruhig. Kaum eine Spur von den 110 Rekruten, den Nachwuchsspielern im Larp – dem Live Action Role Playing. Aber hier, im selbiatischen Heerlager – auf den Feldern der Ehre – am Rande von Morschreuth bei Gößweinstein lernen sie in insgesamt vier Lehrjahren die Grundlagen des improvisierten Rollenspiels.

Teilnehmer sind zwischen 12 und 25

Den einwöchigen Unterricht lassen sich die Teilnehmer einiges kosten. Doch die ECW Jugendbildung aus Forchheim, der Veranstalter, will den Heranwachsenden mehr auf den Weg mitgeben als nur die „Ausbildung“ zum Rollenspieler. Der Larp nimmt lediglich eine Mittlerrolle ein, bei dem Versuch, über Schauspiel, Improvisation und Kampfübungen die eigenen Stärken zu entdecken und auch Ängste zu überwinden. Noch sind es ein paar Minuten bis zum sogenannten Morgenblock, bei dem die Teilnehmer, die zwischen zwölf und 25 Jahre alt sind, Unterricht in der Spielewelt erhalten. In der Fantasie-Welt von Selbion, wo sie als Krieger, Waldläufer, Heiler oder Magier unterwegs sind. „Als Knappen dürfen sie noch in jeden Charakter reinschnuppern“, erklärt Pauline Weigel. Sie gehört zum 16-köpfigen Betreuer-Team und spielt bereits zum fünften Mal auf den Feldern der Ehre. Eigentlich ist Pauline in diesen Tagen Kaya, eine Barbarin: Die linke Seite ihrer kurzen und wild gelockten Haartracht ist abrasiert, auf ihrem Hemd und in ihrem Gesicht sind Spritzer von rotem Kunstblut und am Hals baumeln Amulette.

Ein bunt zusammengewürfelter Haufen aus Charakteren

Um ihre Schultern hat sie eine graue Decke geschlungen, über die braunen Pumphosen hat sie ein Kunstfell gewickelt. Am Waffengürtel baumeln zwei echt aussehende Äxte aus Schaumstoff. Wie viele Rollenspieler schneidert sie ihre Kostüme selbst. Um ihren Charakter, ihre Rollenspiel-Figur, hat Pauline eine eigene Geschichte erfunden: „Sie hat eine eigene Biografie und entwickelt sich auch weiter“ , erklärt sie. „Und jedes Rollenspiel-Abenteuer macht etwas mit dem Charakter“, erklärt sie. Die Storyline, den Plot zu einem Larp, erdenkt sich eine Spielleitung. Die eigentliche Geschichte entwickelt sich aber erst im Spiel, wenn ein bunt zusammengewürfelter Haufen aus Charakteren mit viel Improvisation und Kommunikation die Handlung vorantreibt. Als Barbarin ist sie rotzfrech, manchmal böse. „Eigentlich bin ich recht schüchtern“, sagt Pauline über sich.

Die Kinder werden selbstbewusster

Das ist auch etwas, das die Teilnehmer hier lernen können: Jemand anderes zu sein. Ob böse, gemein, frech, hinterhältig: „Das ist Teil des Spielercharakters und fällt außerhalb nicht auf dich zurück“, erklärt Pauline. Außerhalb, in der Out-Time. Aber einmal jemand anders zu sein, ein Held. Zu sehen, dass Dinge möglich sind: „Das lässt die Kinder mutiger werden, sie gewinnen an Selbstbewusst sein“, sagt die 17-Jährige. Auch sie selbst habe von ihrem Charakter, der wüsten Barbarin, profitiert.
Im Hintergrund sammeln sich nun die jungen Rekruten. Sie sind einfacher gekleidet: Ein grauer, kittelähnlicher Wappenrock, eine dunkle Kappe und ein farbiger Kragen. Mehr oder weniger ausgestattete Waffengürtel. „Das ist die Anfangsgarnitur, die wir für die Anfänger auch stellen.“ Vor ihnen steht Valerie Palmowski und gibt mit strenger Stimme Anweisungen zu einer Impro-Übung. Der militärische Drill und die strikte Hierarchie ist gewollt, erklärt Valerie später, die hier die Kommandantin Oktavia Sonnenbrück verkörpert. „Das hilft die Kinder zu organisieren“, sagt sie. Soll aber auch zum Nachdenken anregen: „Man darf nicht alles stumpf nachbrüllen und einfach Mitläufer sein.“

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