Leukämiekranker Junge wird derzeit untersucht Emil: Mitte August soll die Transplantation sein

Von Katharina Wojczenko

In einem Monat soll es soweit sein: Läuft alles nach Plan für den kleinen Emil, so bekommt der leukämiekranke Junge Mitte August die Knochenmarksspende. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Emil ist wohlauf. Und seine Mutter Hafize ist den Helfern in Bayreuth dankbar.

 
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Der leukämiekranke Emil (2) und seine Mutter Hafize Koszior (27) in seinem Zimmer in der Knochenmarkstransplantationseinheit in der Kinderklinik Erlangen. 21.07.2015, Foto: Katharina Wojczenko Foto: red

"Das ist eine so komische Krankheit", sagt Emils Mutter, Hafize Koszior. Die meiste Zeit ist Emil fit, springt wie jetzt vor Freude, seine Mutter zu sehen, im Gitterbett in der Kinderklinik in Erlangen auf und ab - und ihr in die Arme. Er schäkert mit dem fremden Besuch und springt seiner Mutter vor lauter Hummeln im Hintern fast wieder aus den Armen. Aber manchmal ist das anders. "Dann ist er ein paar Minuten später weg, schlapp", sagt Hafize Koszior.

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Die hoffentlich vorletzte Chemo hat Emil am Samstag vor einer Woche abgeschlossen. "Insgesamt hat Emil auf die Chemotherapie sehr gut angesprochen", sagt Prof. Markus Metzler, der die Kinderonkologie leitet. Jetzt läuft die Vorbereitung auf die Stammzellentransplantation an. Dazu wird Emil erneut von Kopf bis Fuß untersucht, damit die Ärzte wissen, dass alle Organe die Chemotherapien gut überstanden haben oder ob sie die weiteren Schritte speziell anpassen müssen.

In Amerika laufen die Vorbereitungen an

Auf beiden Seiten des Ozeans. Der Mann, der Emil das Leben retten soll, stammt aus Arizona. Auch er wird ausführlich untersucht, damit ihm die Stammzellen ohne Risiko entnommen werden können. Zwei Wochen vorher gibt das Entnahmezentrum in Amerika den Spender offiziell frei. Kurz darauf läuft in Erlangen die hoffentlich letzte Chemotherapie für Emil an.

"Das alte Knochenmark muss vorbereitet werden, damit Platz für das neue, gesunde des Spenders ist", sagt Metzler. Damit Emil am Tag Null bereit ist. Kurz vorher wird dem Amerikaner das Knochenmark entnommen. Ein Kurier bringt es in einem Kühlbehälter von Tür zu Tür. Je kürzer er unterwegs ist, umso besser. "Ein Tag ist kein Problem", sagt Metzler. Aber ein Pilotenstreik darf nicht dazwischen kommen.

Seit April sind Mutter und Sohn ist die Kinderklinik das zweite Zuhause

Seit April ist Hafize Koszior mit ihrem Sohn Emil immer wieder in Erlangen. Nur etwa vier Mal waren sie für ein paar Tage daheim in Bayreuth. Und dann mussten sie alle zwei Tage nach Erlangen und überprüfen, ob die Blutwerte passen. Wenn Emil Schmerzen hatte, Fieber hatte oder Blut spuckte, musste er sofort zurück. Mit dem Taxi, weil Koszior kein Auto besitzt und Emil wegen seiner geschwächten Abwehr keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen darf. Das bezahlt die Krankenkasse großteils.

So ist die Kinderonkologie wie ihr zweites Zuhause geworden. Es ist ein heller, bunter Ort. In den Gängen hängen Zeitungsartikel über Kinder, die mit Hilfe von Knochenmarkspendern überlebt haben. Hafize Koszior schläft meistens bei Emil im Zimmer. Wenn sie krank ist, übernachtet sie im Haus der Elterninitiative für krebskranke Kinder gegenüber. "Emil macht heiaheia, Mama geht schlafen", sagt Emil dann. Die Elterninitiative hat auch die Küche auf der Station eingerichtet, wo die Eltern miteinander und für ihre Kinder kochen können. "Aber Emil mag nur Kakao, Brezel und Gurke." Wegen der Chemo vertrage er wenig. Die Mundschleimhaut ist gereizt.

Bayreuther Ämter halfen Mutter bei der Wohnungssuche

Im Sommer sind die beiden in Bayreuth umgezogen. In der alten Wohnung war Schimmel. Eine Gefahr für Emil. Elke Stadelmann vom psychosozialen Dienst der Kinderklinik hat zusammen mit dem Jugend- und dem Wohnungsamt der Stadt Bayreuth alle Hebel in Bewegung gesetzt, um für die Alleinerziehende und ihren Sohn eine neue Wohnung zu organisieren.

Nicht nur ihnen ist sie sehr dankbar, sagt die Mutter. Die 27-Jährige kam mit 17 Jahren aus der Türkei nach Deutschland, ihre Verwandten sind dort. Die Eltern von Emils Kindergarten hätten von Anfang an geholfen, über Facebook Möbel organisiert - und vor allem die Typisierungsaktion in der Turnhalle der Graserschule, um einen Spender für Emil zu finden. 2257 Menschen machten mit. "Für mich bedeutet das, wir können 2257 Leben retten." Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe hatte die Schirmherrschaft für die Aktion abgelehnt. Die Helfer warfen ihr auch nach ihrer Entschuldigung  mangelnde Unterstützung vor.

Die Aktion kostete die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) etwa 113.000 Euro. Aktuell hat die Elterninitiative vom Kindergarten Grashüpfer knapp 30.000 Euro gesammelt, sagt Niko Baumgärtel. Ein Dutzend Spendendosen sind in der Stadt noch verteilt, aber bald werden sie eingesammelt, weil nichts mehr dazukommt. Die Elterninitiative plant noch eine letzte Aktion mit dem SpVgg Bayreuth.

Emil findet Mamas kurze Haare lustig

Hafize Koszior wirkt fröhlich und quirlig. Wieder, sagt sie. Und wenn man sie fragt, wie sie mit der Situation klar kommt, sagt sie ein Wort. "Muss." Sie hat sich ihre Haar abgeschnitten, als Zeichen, weil Emil keine Haare hat. Nicht ganz abrasiert, weil die Schwestern sagten, dass sie ihren Sohn dann erschreckt hätte. Jetzt sind sie ein paar Zentimeter lang und Emil findet das lustig. "Er ist tapfer. Ich bin so stolz auf ihn", sagt Hafize Koszior.

Er mache alles mit, was die Schwestern und Ärzte von ihm wollen. "Er weiß, dass er krank ist", sagt die Mutter. Nur nicht, wie schlimm. Wenn etwas auf den Boden fällt, sagt er, dass man es desinfizieren muss. Dass er die Hände waschen muss und Mundschutz tragen muss, wenn er das Zimmer verlässt. "Wenn ich traurig bin, nimmt er mich in den Arm", sagt Hafize Koszior.

"Hauptsache, er lebt."

Sie spielen, schauen DVDs, malen zusammen. Abends kommt der Besuchsdienst der Klinik vorbei. Tagsüber oft die Musiktherapeutin, um mit Emil zu spielen. Und damit seine Mutter auch einmal durchschnaufen kann. Im September wollte die Hausfrau eine Ausbildung zur Krankenschwester beginnen. Alles nicht wichtig. "Emil braucht mich jetzt", sagt Hafize Koszior. "Hauptsache, er lebt."

Eins will sie noch loswerden: "Warum sind Organspende und Typisierung nicht Pflicht? Es gibt so viele unwichtigere Dinge, die das in Deutschland sind." Ob die Transplantation erfolgreich war, zeigt sich etwa vier Wochen danach.

Info: Das macht die Chemotherapie mit Emil

Das Knochenmark muss man sich vorstellen wie einen Schwamm, erklärt Prof. Markus Metzler. In dessen Nischen sitzen die Blutstammzellen, die rote und weiße Blutkörperchen sowie die Blutplättchen bilden. Die weißen Blutkörperchen sind für die Abwehr im Körper zuständig. Durch die Leukämie sind die gesunden Knochenmarkzellen verdrängt worden. "Während der Chemotherapie, die die bösartigen Leukämiezellen zerstört, werden auch die normalen Knochenmarkzellen unterdrückt", sagt der Arzt. Das schwächt den Körper. "Aber Emil hat sich bisher sehr gut geschlagen." Säuglingen und Kleinkinder vertrügen die Behandlung oft besser als Jugendliche und Erwachsene.