Landkreis Wunsiedel hilft Familien in Schwierigkeiten Hilfe, um den Teufelskreis zu durchbrechen

Kinder sollen nicht unter der Arbeitslosigkeit ihrer Eltern leiden. Mit dem Projekt Cura wollen der Landkreis und das Jobcenter Familien neue Perspektiven bieten.

 
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Wunsiedel - Seit Jahren beklagt die Wirtschaft einen Fachkräftemangel. Händeringend suchen die Betriebe Lehrlinge, Facharbeiter, Techniker und Gesellen. Auf der anderen Seite gibt es nach wie vor Menschen ohne Arbeit und Jugendliche, die keine Lehrstelle haben. Das passt nicht zusammen. Damit vor allem die Kinder aus prekären Familien aus einem Teufelskreis von Arbeitslosigkeit und Armut herauskommen, gibt es im Landkreis Wunsiedel das Projekt Cura. Im Oktober 2019 gestartet, geriet es wenige Monate später sogleich in den Corona-Strudel. Dennoch ist Jugendamtsleiterin Sandra Wurzel sicher, dass die zuständigen Mitarbeiter bisher viel erreicht haben.

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Das Besondere an Cura ist, dass sich die Fachkräfte von Jugendamt und Jobcenter gemeinsam um hilfsbedürftige Familien im Landkreis kümmern. „Kinder, die in Armut und Perspektivlosigkeit aufwachsen, können lebenslang benachteiligt bleiben“, sagt Sandra Wurzel. Genau dies bestätigen immer wieder auch die Armutsberichte der Sozialverbände.

„Für viele Familien wird es zu einem Problem, wenn die Eltern arbeitslos sind und zusammen mit ihren Kindern in einer engen Wohnung sitzen“, so Sandra Wurzel. Corona und Homeschooling hätten den Stress hier noch einmal erhöht. Ein ganzheitlicher Ansatz, der alle Familienmitglieder einbeziehe, sei am erfolgversprechendsten. „Die Kollegen des Jobcenters haben alle Fördermöglichkeiten im Kopf und den Arbeitsmarkt im Blick. Wir kümmern uns um die pädagogischen Belange und vermitteln in weiterführende Hilfen.“

Bis Ende April haben 20 sogenannte Bedarfsgemeinschaften mit zusammen 64 Eltern und Kindern freiwillig an dem Projekt teilgenommen. Laut Jugendamts-Statistik wohnte die überwiegende Zahl der Familien in den beiden größten Städten Selb und Marktredwitz.

„Da wegen Corona Hausbesuche lange Zeit kaum möglich waren, konnten nach Ausbruch der Pandemie zunächst nur noch wenige Teilnehmer für das Projekt gewonnen werden“, berichtet Sandra Wurzel. So hätten vor allem Familien mit kleinen Kindern keine Hausbesuche gewünscht. Als fast unmöglich habe sich auch die Vermittlung in Arbeit gestaltet.

Fachkräfte verhindern Obdachlosigkeit

Wenn die Pandemie abklingt, wie es im Landkreis Wunsiedel derzeit zumindest den Anschein hat, wird Cura nach dem Willen aller Beteiligten wieder richtig Fahrt aufnehmen. Trotz all der Hindernisse haben die Fachkräfte in den Familien viel erreicht.

Unter anderem initiierten sie Schuldnerberatungen, vermittelten Teilnehmer in Kurse und Schulbildung, halfen in einem Fall, einen Führerschein wieder zu erhalten, trainierten Bewerbungsgespräche mit ihren Klienten oder verhinderten Obdachlosigkeit. Auch bei einer Vormundschaft halfen die Mitarbeiter des Jobcenters und des Jugendamtes, und sie unterstützten eine Frau dabei, einen Gewaltschutzantrag zu stellen.

„Mitunter haben wir eine Verschlechterung der Situation abgewendet und so die Grundlage für die weitere Arbeit in den Bedarfsgemeinschaften geschaffen“, berichtet Sandra Wurzel. Dabei ging es auch darum, Eltern erst einmal den nötigen Freiraum zu verschaffen, damit sie überhaupt in der Lage sind, Maßnahmen des Jobcenters zu besuchen oder im besten Fall eine Arbeit aufzunehmen.

Die Altersspanne der erwachsenen Teilnehmer am Cura-Projekt liegt zwischen 16 und 55 Jahren. Die überwiegende Zahl der Frauen und Männer hat laut Jugendamtsbericht die deutsche Staatsangehörigkeit. Die übrigen stammen aus Tschechien, Syrien, dem Irak oder der Ukraine. Etwas mehr als die Hälfte der Erwachsenen besitzt einen Mittel- oder Förderschulabschluss. Lediglich zwei haben einen höheren Abschluss. Da 87 Prozent der Teilnehmer keine oder keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, ist es für diese Gruppe besonders schwierig, eine Arbeitsstelle zu finden.

Bedarfsgemeinschaften und Multiproblemfamilien

Auch der Kreistag hat jüngst das Cura-Projekt bewertet und vorerst die Finanzierung bis Ende kommenden Jahres zugesichert. Bei vielen der „Bedarfsgemeinschaften“ (Jobcenter-Jargon) handelt es sich um sogenannte Multiproblemfamilien (Jugendamts-Jargon). „Es hat sich schon jetzt gezeigt, dass sich dank Cura in den Familien vieles zum Positiven verändert hat. Der niederschwellige Ansatz des Projektes ist das richtige Mittel, um die Zielgruppe zu aktivieren“, sagt Sandra Wurzel.

Allerdings, schickt sie hinterher, könne der Erfolg nicht nur anhand von Vermittlungszahlen bewertet werden. Vielmehr müsse man die Verbesserung der einzelnen Lebenssituationen betrachten. Tatsächlich können sich Erfolge auch erst in vielen Jahren einstellen, etwa, wenn die Kinder der betreuten Familien einen Schulabschluss schaffen, eine Lehre aufnehmen oder studieren und später für sich und ihre Angehörigen selbst sorgen können.