Forschung Sondergericht verhängte 14 Todesurteile

Peter Engelbrecht
Nach der Vertragsunterzeichung (von links): Bernhard Grau, Landgerichtspräsident Matthias Burghardt und Prof. Bernd Kannowski. Foto: /Peter Engelbrecht

Einen wichtigen Schritt ist das Forschungsvorhaben über das Sondergericht Bayreuth vorangekommen. Ein Kooperationsvertrag wurde am Dienstag unterzeichnet.

 
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Insgesamt 14 Todesstrafen verhängte das Sondergericht Bayreuth in der Kriegszeit, so unter anderem wegen des Diebstahls von Wollsachen. Nur wenig ist darüber heute in der Öffentlichkeit bekannt.

Nun ist das vom Landgericht angeregte Forschungsprojekt „Sondergericht und Volksgerichtshof in Bayreuth“ einen wichtigen Schritt vorwärts gekommen. Denn am Dienstag wurde eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, dem Landgericht und der Universität Bayreuth unterzeichnet. Damit können die entsprechenden, im Staatsarchiv Bamberg verwahrten Aktenbestände direkt im Justizpalast in Bayreuth genutzt und ausgewertet werden. Normalerweise geben Archive ihre historischen Bestände nicht heraus, sie müssen vielmehr in den dortigen Räumen eingesehen werden. Mit diesem Vorgehen wird die komplexe Forschungsarbeit mehr als erleichtert.

Die Unterzeichnung fand an historischer Stelle statt, nämlich im ehemaligen Sitzungssaal 100, in dem von Mitte 1942 bis April 1945 das Sondergericht Bayreuth tagte. Heute trägt der Sitzungssaal im ersten Stock die Nummer 1.049, nur die Kassettendecke mit kastenförmigen Vertiefungen und die Türstöcke sind noch Original erhalten. Landgerichtspräsident Matthias Burghardt sprach bei der Erinnerungsarbeit an das Sondergericht und den Volksgerichtshof von einem wichtigen Thema. Und er stellte die Frage, wie es so schnell geschehen konnte, dass sich Richter und Staatsanwälte in der NS-Zeit von einem Unrechtssystem vereinnahmen ließen. Dass man nicht mitmachen musste, zeigte das Beispiel eines Richters, der sich weigerte, die Euthanasiegesetze umzusetzen, um Kranke und Behinderte ermorden zu lassen. Er wurde im Februar 1942 in den Ruhestand versetzt, hatte keine Verfolgung oder Strafe zu erwarten.

Mit der Forschungsarbeit soll den Verurteilten ein Gesicht gegeben werden, erläuterte Burghardt. Weiterhin sollen die Sondergerichtsurteile ausgewertet und die Biografien aller dort tätigen Richter und Staatsanwälte erforscht werden. Die Ergebnisse und Zeitdokumente sollen der Öffentlichkeit sowohl im Justizpalast in einer Dauerausstellung, als auch in der Universität zugänglich gemacht werden. Die gewonnenen Fakten werden zudem in eine Datenbank eingespeist, die im Staatsarchiv Bamberg eingesehen werden kann.

Rückblick: Mit Wirkung vom 20. Juni 1942 war bei dem Landgericht Bayreuth – auch für den Bezirk Hof – ein Sondergericht gebildet worden. Sondergerichte wurden insbesondere zur „raschen Erledigung“ bestimmter politischer Straftaten errichtet, die Beschuldigtenrechte waren dort stark eingeschränkt und die Urteile normalerweise nicht anfechtbar. Das Bayreuther Sondergericht stand bis zum 7. Februar 1943 unter dem Vorsitz von Johann (Hans Willy) Schmitt, anschließend bis Kriegsende unter dem des Landgerichtspräsidenten Rudolf Brehm. Hier wurden Verfahren gegen 255 Angeklagte durchgeführt, die in 14 Fällen mit der Verhängung der Todesstrafe endeten. Todesurteile wurden beispielsweise gegen sogenannte „Volksschädlinge“ oder „Feldpostmarder“ verhängt. Aus heutiger Sicht seien das vergleichsweise geringe Straftaten gewesen, sagte Burkhardt. Für ein Todesurteil ausreichend waren der Diebstahl von Wollsachen. Dafür wurde der Pole Bronislaw Kulik im September 1942 vom Sondergericht zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Nachdem am 3. Februar 1945 das Gebäude des Volksgerichtshofes in Berlin durch alliierte Bombenangriffe zerstört worden war, wurde es auf Anordnung Hitlers nach Potsdam ausgelagert. Die für Hoch- und Landesverrat zuständigen Senate wurden nach Bayreuth verlegt, mit ihnen in einem unmenschlichen Transport rund 220 Gefangene. Dieser Teil der Geschichte des Volksgerichtshofs in Bayreuth ist bis heute weitgehend unbekannt. Auch die Biografien der Richter und Staatsanwälte am Sondergericht Bayreuth und des hier tagenden Volksgerichtshofs sind weit weitgehend unerforscht geblieben. Dies soll nun nachgeholt werden, auch deren Werdegang nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Bislang fehlt im und am Justizgebäude selbst jeder Hinweis und jede Information zu diesem wohl dunkelsten Kapitel Bayreuther Justizgeschichte. Die Forschungsarbeiten werden die Richterin Katharina Roggenbrod und die Richter Clemens Haseloff und Bernhard Böxler sowie Landgerichtspräsident Burghardt in ihrer Freizeit durchführen. Eigens für dieses Projekt abgestelltes Personal wird es nicht geben. Das Vorhaben soll einige Jahre laufen.

Prof. Bernd Kannowski von der Uni Bayreuth sprach von einer wichtigen Aufgabe, dem Vergessen des Unrechts im Nationalsozialismus entgegenzuwirken. Sämtliche Akten des Sondergerichtes seien erhalten geblieben, es gebe keine Kriegsschäden. Finanzielle Unterstützung des Projektes habe die Rainer Markgraf Stiftung, der Universitätsverein, die Oberfranken-Stiftung und die Stadt Bayreuth gegeben.

Auch Bernhard Grau, der Generaldirektor der Staatlichen Archive Bayerns, sprach von einem wichtigen Thema, das sich sehr gut in die aktuelle Forschungslandschaft einfüge. Demokratische Errungenschaften seien nicht selbstverständlich.

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